Neuestes Heft: Jetzt bestellen!

KRIEG UND FRIEDEN
Ukrainische Medien unter Druck
Krieg und Frieden

Ukrainische Medien unter Druck 

Der Beginn der umfassenden russischen Invasion in der Ukraine hatte verheerende Auswirkungen auf die ukrainischen Medien. Ein Blick auf die Situation der Medienlandschaft zwei Jahre nach dem Beginn des Angriffskriegs.

Von Oleksandra Yaroshenko

Im Rahmen des russischen Besatzungsplans wurden lokale ukrainische Medien gezielt angegriffen, um die Kontrolle über sie zu übernehmen und Radio- und Fernsehsendungen durch russische Signale zu ersetzen. Im Jahr 2022 fielen Teile der Regionen Kiew, Charkiw, Saporischschja, Cherson, Donezk und Luhansk unter russische Besatzung, einschließlich der lokalen Medien und ihrer Mitarbeiter.

Journalisten waren in den besetzten Gebieten großen Gefahren ausgesetzt, sodass viele von ihnen ihre Identität und ihren Beruf verheimlichten, um sich in Sicherheit bringen zu können. Diejenigen, die zurückblieben, waren der Verfolgung, Entführung und Inhaftierung durch die Besatzungstruppen ausgesetzt. Im März 2022 griffen russische Truppen die Fernsehtürme in Kiew, Charkiw und Lyssytschansk an, dabei kamen fünf Menschen ums Leben, und der Sendebetrieb wurde vorübergehend unterbrochen.

Bis heute sind 70 Journalisten und Journalistinnen ums Leben gekommen, zehn während ihrer Berichterstattung und 60 im Kampf, durch russischen Beschuss oder 
Folter.

Medienschaffende gezwungen, ihre Arbeitsplätze zu verlassen

Die ukrainische Wirtschaft ist im März 2022 um 45 Prozent eingebrochen. Die Besatzungstruppen zerstörten oder beschädigten zahlreiche große Industrieanlagen, und ohne den üblichen Zugang zum Schwarzen Meer konnte die Ukraine weniger als die Hälfte ihres Vorkriegsvolumens exportieren. Auch die Medienindustrie kam zu diesem Zeitpunkt zum Stillstand. Einige Medienschaffende waren gezwungen, ihre Arbeitsplätze zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen, während andere, die in der Ukraine blieben, kaum eine Entschädigung erhielten, da die Medienunternehmen Geld verloren und rund um die Uhr ausgestrahlte Nachrichten an die Stelle von Werbung traten.

Zwei Jahre nach Beginn der russischen Invasion haben sich der ukrainische Medienmarkt und das Medienumfeld aufgrund des andauernden Krieges mit seinen humanitären und wirtschaftlichen Auswirkungen erheblich verändert. Zu den beobachteten Veränderungen gehören unter anderem die folgenden Aspekte:

Meinungsfreiheit und Zugang zu verschiedenen Medien

Einerseits macht die Ukraine mit der Verabschiedung des neuen Gesetzes „Über die Medien“ im Dezember 2022 Fortschritte im Bereich der Meinungsfreiheit. Im Mai 2023 verabschiedete das ukrainische Parlament weitere Änderungen am Gesetz „Über Werbung“, um es an die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste anzupassen.

Einem Bericht der Europäischen Kommission zufolge können die Bürger der Ukraine ihre Meinung frei äußern und haben Zugang zu kritischer Medienberichterstattung. Auf der anderen Seite hat der Zusammenbruch des Medien- und Werbemarktes – insbesondere im TV-Bereich – zu einer Medienkonzentration geführt. In der Ukraine schränkte dies den Zugang der Menschen zu verschiedenen Medien ein. Die großen Fernsehsender, darunter die öffentlich-rechtlichen und die wichtigsten kommerziellen, haben einen gemeinsamen 24/7-Nachrichtendienst namens „United TV Marathon“ ins Leben gerufen, um die nationale Einheit zu fördern und die Ukrainer für die Kriegsanstrengungen zu mobilisieren. Der „TV-Marathon“ wird allerdings von Medienbeobachtern und Journalisten selbst zunehmend kritisiert, weil er keine umfassende und ausgewogene Berichterstattung bietet.

Kürzungen der Medienfinanzierung und staatliche Zensur

Zu den wichtigsten Verstößen gegen die Meinungsfreiheit während des Krieges in der Ukraine gehörten laut einer Umfrage von 2023 die Weigerung der Behörden, wichtige Informationen bereitzustellen, Zensur und die Verweigerung der Akkreditierung von Journalisten. Unter den größten Bedrohungen für die Meinungsfreiheit nannten die Befragten physische Bedrohung in Kriegsgebieten (67 Prozent), Kürzungen der Medienfinanzierung (55 Prozent) und staatliche Zensur (47 Prozent). Allerdings gaben 30 Prozent der Befragten an, dass sie persönlich nicht von Verletzungen der Meinungsfreiheit betroffen sind. Dennoch waren ukrainische Enthüllungsjournalisten Anfang 2024 zwei Angriffen ausgesetzt, die durch anonyme Telegram-Kanäle ermöglicht wurden. Bihus. Info, bekannt für die Aufdeckung von Korruption unter ukrainischen Politikern, gehörte zu den angegriffenen Stellen. Der jüngste Angriff betraf ein „Enthüllungsvideo“, das Aufnahmen einer versteckten Kamera im Hotelzimmer der Journalisten sowie abgehörte Telefongespräche enthielt. Bihus.Info vermutet eine Beteiligung des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes (SBU). Diese Eskalation gibt Anlass zu großer Besorgnis über die zunehmende Bedrohung der Pressefreiheit in der Ukraine in Kriegszeiten.

Niedergang des Medienmarktes

Nach den jüngsten Untersuchungen des Internews Ukraine Media Program sind 70 Prozent der Medien in der Ukraine nach Beginn der Invasion auf die Finanzierung durch internationale Geber als Haupteinnahmequelle angewiesen. Während die unabhängigen ukrainischen Medien in erster Linie auf Zuschüsse und Spenden angewiesen sind, werden die beliebtesten Fernsehsender nach wie vor von Oligarchen kontrolliert. Der Krieg hat jedoch die Unternehmen der Oligarchen gestört und ihre Rentabilität und Ressourcen verringert. Dies schränkt ihren Einfluss in Politik und Medien ein.

Außerdem glauben ukrainische Experten, dass der Wiederaufbau des Medienmarktes erst nach dem Krieg möglich ist. Die Europäische Kommission hat der Ukraine Bedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft gestellt, zu denen auch die Schaffung eines transparenten Medienmarktes gehört. Diese Bedingung geht über die Gewährleistung der Meinungsfreiheit hinaus; sie zielt auch auf die Entoligarchisierung ab, ein entscheidender Aspekt für die Integrationsbemühungen der Ukraine. Die Ukraine hat Schritte unternommen, um diese Bedingung zu erfüllen, indem Gesetze erlassen wurden, die mit den EU-Standards und den Marktanforderungen übereinstimmen, einschließlich Änderungen der Kartellgesetze, um gegen monopolistische Praktiken im Mediensektor vorzugehen. Aufgrund des andauernden Krieges und der Verhängung des Kriegsrechts im Land bestehen jedoch gewisse Beschränkungen für Radio- und Fernsehsendungen. Die vollständige Neubelebung des Medienmarktes wird daher erst nach Beendigung des Krieges möglich sein.

Lesen Sie den ganzen Artikel im aktuellen Heft.

Ähnliche Beiträge