Der europäische Gedanke – oft zitiert, gern bemüht, zu selten gelebt. Das gilt damals wie heute. arte wollte und will diesen Gedanken in die Praxis umsetzen, und es ist tatsächlich ein Erfolgsrezept. Geboren aus der Idee, einen Kontrapunkt zur amerikanischen Filmdominanz auf dem Weltmarkt zu setzen.
von Andrew Weber
Zu Beginn der 1980er-Jahre befürchtete man in Frankreich durch das Aufkommen privater Fernsehsender einen tiefgreifenden Wandel der audiovisuellen Landschaft. Dort wurde im November 1984 der erste private Fernsehsender, Canal+, gegründet, bald darauf kamen noch zwei Sender hinzu. In Deutschland war man sogar schon ein bisschen weiter. Das sogenannte FRAG-Urteil (benannt nach dem Kläger Freie Rundfunk AG) stellte bereits ab 1981 die Weichen für die Zulassung privater Rundfunk- und Fernsehsender im Saarland. Infolgedessen zogen auch alle anderen Bundesländer nach und änderten die Landesmediengesetze.
Als Erstes ging am 1. Januar 1984 PKS (Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk) an den Start, aus dem später Sat.1 werden sollte. Nur einen Tag später ging RTLplus auf Sendung. In Deutschland wurde die Verbreitung des Privatfernsehens von staatlicher Seite von Anfang an unterstützt und gefördert.
So baute man das Kabelnetz massiv aus, und das Programm war stets ein Politikum. Edmund Stoiber schrieb 1987 an den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß: „Unsere Politik bezüglich RTLplus war immer darauf ausgerichtet, eine Anbindung von RTL an das konservative Lager zu sichern beziehungsweise ein Abgleiten nach links zu verhindern.“ Man stieß sich an dem unliebsamen Spiegel TV, das bis heute auf RTL ausgestrahlt wird.
Zurück ins Jahr 1984, nach Frankreich. Dort hatte der Kommunikationsminister unter François Mitterand, Georges Fillioud, angeregt, einen europäischen Kulturkanal zu schaffen. Schon 1986 hatte man Tatsachen geschaffen, es entstand der Sender La Sept, der Vorgänger von arte, noch allein unter französischer Führung. Doch zarte Bande nach Deutschland und in andere europäische Staaten waren schon geknüpft. Bereits 1987 nahmen vier europäische Sender am Programmkomitee teil: RAI (Italien), Channel Four (Großbritannien), das ZDF (Deutschland) und der SSR (Schweiz). Ziel waren Rahmenverträge für Koproduktionen.
Das ZDF sicherte zudem Unterstützung für Produktionsmittel und Personal zu. Kurz darauf kam auch die ARD mit ins Boot. Der Wille zur Zusammenarbeit war da, doch es ging nicht so voran, wie man sich das gewünscht hatte. In Deutschland hat jedes Bundesland seine eigene Rundfunkanstalt, und jeder will ein Wörtchen mitreden. Nicht einfach, das alles unter einen Hut zu bekommen.
Am 4. November 1988 schafft man es, in Bonn eine Erklärung zu formulieren und zu unterzeichnen, einen gemeinsamen Kulturkanal schaffen zu wollen. Darin wird bereits festgehalten, dass der Sitz des Senders in Straßburg sein soll. Man trifft sich weiter, man bespricht, und irgendwie kommt dann die deutsche Wiedervereinigung „dazwischen“. Fast. Am 2. Oktober 1990, einen Tag vor der offiziellen Wiedervereinigung und dem späteren Tag der Deutschen Einheit, wird ein Vertrag zwischen Deutschland und Frankreich geschlossen, der die Schaffung eines europäischen Kulturkanals festlegt. Der Vertrag betont die Unabhängigkeit des Senders von deutschen und französischen Behörden; auch Regulierungsbehörden haben keinerlei Befugnis, einzuschreiten. Im Mai 1992 schließlich nimmt der Sender unter dem neuen Namen ARTE den Sendebetrieb auf. Zunächst nur als Abendprogramm, tagsüber teilt man sich die Frequenz mit anderen Sendern, etwa mit Nickelodeon, später mit KIKA. Die kulturelle Ausrichtung ist jedoch unverkennbar, wie ein Blick ins Programm vom 4. Dezember 1993 zeigt. Auch wenn an diesem zufällig ausgewählten Beispiel einige US-amerikanische Produktionen dabei sind, die eher ungeeignet für RTL & Co. sein dürften:
Das arte-Programm vom 4. Dezember 1993
19:00 Via Regio Auf den Spuren von Sherlock Holmes, Dracula und Kommissar Maigret
19:25 Mit offenen Karten Heute: Aborigenes – die Eroberung Australiens
19:35 Die Woche vor 50 Jahren (Nr. 223) Historische Wochenschauen
20:30 8 1/2 – Nachrichten
20:40 Vietnam, Ausgangspunkt Dokumentarfilm von Robert Kramer (1993)
22:00 Surviving Desire US-amerikanischer Fernsehfilm (1991) (deutsche und französische Erstausstrahlung – Original mit Untertiteln)
23:00 Ambition US-amerikanischer Kurzfilm (1991)
23:10 Theory of Achievement US-amerikanischer Kurzfilm (1991) (deutsche und französische Erstausstrahlung)
23:25 Snark Nr. 8 – Trickfilme – Videokunst
23:55 Jazzfest Berlin ’92 (1) Mit Lionel Hampton u. a.
www.arte.tv
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