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KRIEG UND FRIEDEN
Programmdiät bei der ARD
Alexander Kluge
100 Jahre Radio

Programmdiät bei der ARD 

Sparen ist ein wenig wie abnehmen: Man muss, man soll es tun, aber es fällt schwer. So geht es derzeit der ARD, die manchmal als übergewichtig bezeichnet wird. Anke Mai ist die Vorsitzende der Audio-Programmkonferenz und verantwortet das Abspecken des Hörfunks. Die Speisekarte wird zusammengestrichen, auch Filetstücke bleiben nicht verschont, wie etwa die beliebte Produktion von Hörspielen. Im Interview mit NITRO spricht die Hörfunkjournalistin über das Gemeinschaftsprogramm der Infowellen, die Angst der Hörspielredaktionen vor Kürzungen und die Alleinstellungsmerkmale der öffentlich-rechtlichen Sender.

 ? Anke Mai, Sie sind eine leidenschaftliche Hörfunkjournalistin, leiten aktuell die Programmdirektion Kultur beim SWR und sind Vorsitzende der ARD-Audio-Programmkonferenz. Wann haben Sie zuletzt in einem Radiostudio moderiert?

! Moderiert? Das ist tatsächlich schon lange her. Ich habe als Hörfunkjournalistin beim Bayerischen Rundfunk angefangen und war Gründungsmitglied bei B5 Aktuell. Dort habe ich viele Jahre Nachrichtensendungen moderiert und wurde später Korrespondentin für Südosteuropa und im Hauptstadtstudio in Berlin. Lassen Sie mich nachdenken: Es muss etwa 1997 gewesen sein, als ich das letzte Mal eine Radiosendung moderiert habe.

? Als Programmdirektorin haben Sie nicht mehr viel mit der operativen Arbeit in einem Radiostudio zu tun. Schlagen manchmal zwei Herzen in Ihrer Brust?

! Absolut! Ich hatte und habe immer noch Phantomschmerzen, und die hatte ich bereits, als ich beim Bayerischen Rundfunk Programmbereichsleiterin Kultur wurde. Radiomachen fehlt mir wahnsinnig, denn ich liebe es, Radio zu machen.

? Kommen wir zu Ihrer jetzigen Arbeit als Programmdirektion Kultur beim SWR und Vorsitzende der ARD-Audio-Programmkonferenz. Wofür genau sind Sie verantwortlich?

! Als „Programmdirektorin Kultur, Wissen, Junge Formate“, so lautet der vollständige Titel, bin ich unter anderem zuständig für die Popwelle SWR3, die wichtigste Radiowelle im Sendegebiet, weil sie die meisten Menschen im Südwesten erreicht. Außerdem verantworte ich unser junges Angebot DASDING sowie die Kultur- und Wissenswelle SWR2, und es gibt weitere Zuständigkeiten, die Digitalangebote etwa, die mit Radio nur indirekt zu tun haben.

? Nämlich?

! Zum Beispiel funk, denn der SWR ist federführend bei funk, dem jungen Content-Netzwerk von ARD und ZDF. Dort werden zwar auch ab und zu Audios beziehungsweise Podcasts produziert, aber es hat sonst nicht viel mit Radio zu tun. Zu diesen Kernaufgaben kommen die Klangkörper, also das Symphonieorchester des SWR und das Vokalensemble, das Experimentalstudio sowie unsere Festivals, Donau­eschingen als modernes Musikfestival und die Schwetzinger SWR-Festspiele. Ich bin insgesamt verantwortlich für die strategische Zielsetzung dieser Programme.

? Da kommt einiges zusammen in Ihrem Verantwortungsbereich …

! … richtig. Ich bin außerdem Mitglied der Audio-Programmkonferenz der ARD, kurz APK, und im Moment deren Vorsitzende. Die APK hieß früher Hörfunkkommission, da ging es in erster Linie ums Radio. Heute ist das Radio aber nicht mehr das alleinige Produkt, um das wir uns kümmern. Inzwischen geht es um alle Audio-Angebote, also auch um die ARD Audiothek, sowie den ganzen Podcast-Bereich und alles, was damit zusammenhängt.

? Kommen wir zu den von der ARD angekündigten Reformen, über die die Medien berichten und von denen auch die Hörfunkwellen betroffen sind. Der Spiegel schrieb zum Beispiel zu den Reformvorhaben: „Die ARD muss ihr Programm reformieren und sparen und kündigte an, die verschiedenen Infowellen künftig in einem Gemeinschaftsprogramm zu produzieren.“ Welche Themen sind denn für ein Gemeinschaftsprogramm geeignet, das zu allen Sendegebieten passt? Die Zuhörer des BR interessieren doch sicher andere Themen als die im Sendegebiet des NDR oder des rbb.

! Ganz so, wie der Spiegel es formuliert hat, ist es nicht. Natürlich will die ARD Reformen umsetzen, aber sie will kein Einheitsprogramm diktieren, egal, ob jemand im Norden oder Süden, im Osten oder Westen oder in der Mitte lebt. Die Eigenheiten und Schwerpunkte der Infowellen sollen erhalten bleiben. Wichtig ist uns bei den Infowellen, dass sie für die Zuhörer die regionale Identität wahren und in der Berichterstattung weiter berücksichtigen. Und natürlich ist klar, dass ein Infoprogramm in Bayern zuallererst mal nach Bayern schaut und das Infoprogramm aus Hamburg zuerst in den Norden.

? Dann könnte ja alles bleiben, wie es ist …

! Die Infowellen schauen ja schon jetzt nach ganz Deutschland und auf die Welt. Bei der Berichterstattung aus dem Weltgeschehen arbeiten die Infowellen bereits zusammen, denn das Auslandskorrespondentennetz der ARD wird gemeinsam genutzt. Bei den Reformen wollen wir vor allem darauf schauen, wo wir beispielsweise am Abend und auch am Samstag stärker zusammenarbeiten können. Es gibt ja bereits die ARD-Infonacht, die von Mitternacht bis sechs Uhr am Morgen läuft. Da steigen manche Wellen ein bisschen früher ein, andere ein bisschen später, und die Menschen hören in allen Sendegebieten gemeinsam die ARD-Infonacht.

? Und in dieser gemeinsamen ARD-Infonacht sollen künftig auch relevante regionale Themen laufen?

! Das passiert jetzt schon, aber wir wollen das auch tagsüber im individuellen Programm der Wellen stärken. Es geht um Themen aus den einzelnen Bundesländern, die grundsätzlich für alle in Deutschland interessant sind. Es ist nicht so, dass regional immer gleich provinziell bedeutet und deshalb uninteressant für den Rest der Republik sein muss. Es gibt spannende Themen, wo es sich lohnt, reinzuhören – quasi als Hörfenster der einzelnen Regionen.

? Das Gemeinschaftsprogramm läuft bisher auf allen Infowellen zwischen Mitternacht und sechs Uhr am Morgen. Was ändert sich mit der Reform?

! Dieses Angebot wollen wir für die Infowellen ausbauen, indem wir bereits den Abend gemeinsam gestalten. Auch hier wird es möglich sein, dass einzelne Infowellen aussteigen, wenn sie sagen: Wir haben jetzt hier gerade eine Situation, in der es für uns wichtig ist, ein eigenständiges Programm zu senden.

? Es ist also immer möglich, auszusteigen aus dem gemeinsamen Programm der Infowellen?

! Natürlich, denn es ist keine Zwangsverpflichtung, sondern es ist ein Angebot, auch und gerade in nachrichtenschwachen Zeiten am Abend. Genau dort ist es sinnvoll, auf ein attraktives gemeinsames Angebot zu setzen.

? Können Sie erklären, wie das inhaltlich umgesetzt werden soll?

! Wir haben uns überlegt, dass wir an zwei Abenden zum Beispiel auf Beteiligung und Dialog setzen. Das Konzept erarbeiten wir gerade, aber uns ist wichtig, etwas mit Hörerinnen und Hörern gemeinsam zu machen. Wir wollen ihre Themen aufgreifen und mit ihnen in die Diskussion gehen. Bisher bekamen wir oft den Vorwurf, wir würden zu wenig auf Dialog achten und unser Publikum zu wenig einbeziehen. In das abendliche Gemeinschaftsprogramm der Infowellen könnten dann viele Themen einfließen, die die Menschen in ganz Deutschland interessieren.

? Welche Themen zum Beispiel?

 ! Wie immer heißer werdenden Sommer, die Trinkwassersituation in Deutschland, trockene Böden und Ernteausfälle, die es in vielen Teilen Deutschlands durch die Trockenheit geben kann. Auswirkungen der Inflation, der Krieg in der Ukraine, die Wahlen in europäischen Ländern oder Sportveranstaltungen in Deutschland könnten aufgegriffen werden. All diese Themen können von großem Gesamtinteresse sein – und sie sind keine Gleichschaltung aller Infoprogramme, sondern ein Versuch, mit Ressourcen schonend umzugehen und trotzdem ein relevantes Programm für ganz Deutschland anzubieten.

? Noch einmal die Nachfrage: Diese Gemeinschaftsprogramme sind nur für den Abend geplant? Tagsüber können die Infowellen weiter lokal und regional berichten, und die Menschen im Sendegebiet werden wie gewohnt mit regionalen Informationen versorgt?

Das vollständige Interview lesen Sie in der Ausgabe „100 Jahre Radio“

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