Zugegeben klingt Rang 11 auf der Rangliste für die Pressefreiheit nicht nach Party mit Ballons und Konfetti und doch hat sich Deutschland in den vergangenen vier Jahren von Platz 16 auf den 11. Rang im Jahr 2020 vorgearbeitet. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“, kurz RFS (franz. Reporters sans frontières) teilt weltweit die Länder nach einem ausgeklügelten Schlüssel in eine Rangliste ein. Entscheidend ist etwa, ob Journalisten verfolgt, eingeschüchtert, misshandelt oder gar getötet wurden.
von Andrew Weber
Anspruch und Wirklichkeit der Pressefreiheit
Aber auch ob und in welcher Form der Staat Einfluss auf Medien und die Pressefreiheit nimmt. So wird Deutschland dafür gelobt, dass es verfassungsrechtliche Garantien für einen unabhängigen Journalismus gibt. Was so selbstverständlich klingt, ist eine Errungenschaft, die stets verteidigt werden muss und das nicht nur, wenn man einen Blick auf Ungarn wirft, das in der Rangliste um die Pressefreiheit auf Platz 89, noch neun Plätze hinter Hongkong steht. Wir erinnern uns: 2015 hatte der damalige Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen Anzeige wegen Landesverrats gegen zwei Mitarbeiter von netzpolitik.org inszeniert. Sie standen unter dem Verdacht als Staatsgeheimnisse eingestufte Dokumente veröffentlicht zu haben. Das Verfahren wurden noch im selben Jahr eingestellt. Auch in Punkto Gewalt ist in Deutschland längst nicht alles eitel Sonnenschein, so sind bei uns seit 2015 119 Journalisten gewaltsam angegriffen worden, wie das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig beklagt. Wenig verwunderlich ist dabei die Bilanz, dass 77 Prozent der angegriffenen Journalisten von politisch rechts orientierten Tätern angegriffen wurden.
Pessimistischer Ausblick wegen wirtschaftlicher Erosion des Journalismus
Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ warnt in seiner Einstufung zu Deutschland auch nachdrücklich dem „Drängen von Regierungsvertretern und Gesetzgeber „weitreichende Sicherheits-, Datenschutz- und Überwachungsgesetze umzusetzen, die das Potenzial haben, Rechte wie die digitale Privatsphäre und Anonymität zu verletzen“. Abschließend beurteilt RFS die Entwicklung der Pressefreiheit trotz des Vorarbeitens auf Platz 11 pessimistisch: „Die deutschen Gesetze über den Zugang zu Informationen sind im internationalen Vergleich schwach. Der Medienpluralismus ist aus wirtschaftlichen Gründen einer langsamen, aber stetigen Erosion unterworfen, insbesondere was lokale Zeitungen betrifft.“ Auf dem ersten Platz steht durchgehend seit drei Jahren auch ein europäisches Land: Norwegen. Dort arbeitet man weiterhin an einer Verbesserung der Pressefreiheit. So hat die Regierung eine Kommission ins Leben gerufen, die unter anderem prüfen soll, „wie die Sicherheit von Journalisten als Voraussetzung für die Überwachungsfunktion der Medien gewährleistet werden kann und inwieweit Drohungen und Aufstachelung zur Selbstzensur führen können.“
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