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Homos heilen mit Homöopathie?
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Homos heilen mit Homöopathie? 

Von Kai Rehländer

Ein „Bund katholischer Ärzte“ wirbt im Netz damit, dass Schwule heterosexuell werden können – durch die Einnahme von Globuli. Leider kein Witz.

Irgendwie hat sich die deutsche Öffentlichkeit an vieles gewöhnt. Etwa daran, dass der kompetente, sympathische Ex-Kicker, der während der WM die echt miesen Spiele der deutschen Mannschaft im Fernsehen erklärte, schwul ist. Oder dass auf der Regierungsbank ebenso viele Schwule wie Menschen mit ostdeutscher Sozialisation sitzen (jeweils zwei) und dass einer der beiden sogar den CDU-Rechtsaußen geben darf. Auch im Schulunterricht ist es vollkommen normal, wenn bei der Sache mit den Blümchen und den Bienchen ein Teil der Tierchen nicht von Blüte zu Blüte wandert, sondern es sie – wie die Adler – heim zu ihrem Horst zieht. Hat deshalb die große „Verschwulung“ der Gesellschaft eingesetzt, wie es der rechtsdrehende Polemiker Akif Pirinçci behauptet? Dieses deutschnationale Migrantenkind orakelt, dass „der nächste Bundespräsident ein Travestiestar sein wird, der im Falsett auf Schlagerparaden die Nationalhymne singt.“

Falls dieses Szenario einträfe, würde vielleicht eine ebenso große Menge der Menschen in diesem Land sagen: „Und das ist gut so“ wie in den Umfragen vor der Abstimmung über das Adoptionsrecht die Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Paaren befürwortet haben. Das wären etwa 78 Prozent, für die unterschiedliche sexuelle Einstellungen ein Existenzrecht nebeneinander haben, wie Rechts- und Linkshändigkeit. So etwas nennt man diverse Gesellschaft.

Aber vielleicht muss Homosexualität aber auch gar nicht sein? Vielleicht ist das Ganze nur eine Krankheit beziehungsweise Störung, von der man geheilt werden kann? Diese krude Theorie verbreitet der Bund katholischer Ärzte auf seiner Website im Internet, auf christlichen Veranstaltungen und in Arztpraxen. Bereits im Jahr 2014 berichtete das NDR-Politmagazin Panorama über die Machenschaften dieses Vereins. Dem schwulen Reporter Christian Deker wurde offenbart, seine Homosexualität sei höchstwahrscheinlich zurückzuführen auf genetische Schäden in Folge von „alten Erbleiden wie Gonorrhoe, Syphilis oder Tuberkulose, die nicht nur körperliche, sondern auch psychische Leiden hervorrufen“ könnten. Deker habe vielleicht einen Leberschaden, der die Homosexualität hervorrufe.

Der Bund katholischer Ärzte hat laut Eigenangabe etwa 400 Mitglieder, davon sollen 20 aktiv sein. Das Gesicht dieser Vereinigung ist, spätestens seit dem TV-Beitrag, Dr. Gero Winkelmann, ein Bereitschaftsarzt aus dem oberbayrischen Unterhaching, der nebenbei auch eine Privatpraxis für Homöopathie betreibt.

Und genau darin sieht der 64-Jährige auch die Lösung des Homosexuellen-Problems. Mittels der Dreieinigkeit Homöopathie, Psychotherapie und religiöse Zuwendung wird der Körper zuerst entgiftet. Dazu erhalten die „Patienten“ Sulfur und zwei bis drei Nosoden, also homöopathisch aufbereitete Mittel, die aus pathologischem Material wie Blut, Eiter, Krankheitserreger oder Krebszellen hergestellt werden. Meist seien es Globuli der Potenzierungsstufen D30, D200 oder D100.

Auch Pädophile könne man mit Globuli und Gebeten kurieren: „Die Homosexualität ist der kleine Bruder der Pädophilie, beide haben dieselben Ursachen“, behauptet Winkelmann kühn.

Der Schwulen-und Lesbenverband zeigt sich entsetzt: Die Angebote sind gefährlich. „Sie benutzen die Verunsicherungen von homo- oder bisexuellen Jugendlichen beziehungsweise deren Eltern“, erklärte eine Verbandssprecherin Spiegel Online.

Schließlich ist die Selbstmordrate bei homosexuellen Jugendlichen trotz aller Normalisierung noch um vier bis sieben Mal höher als bei Heterosexuellen.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hat zu seinen Glaubensbrüdern eine eindeutige Meinung, nachdem diese auf dem Katholikentag großflächig mit Flugblättern für ihre Therapien geworben haben, und distanziert sich von der „Definition von Homosexualität als einer therapiebedürftigen und therapiefähigen psychischen Störung“. Die deutschen Oberkatholiken, selbst nicht gerade Verfechter eines offenen schwulen Lebens, sehen darin einen Verstoß gegen die gültige katholische Lehre und eine Diskriminierung homosexueller Menschen.

Auch der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery hatte sich in einem Brief an den grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck von dem Verein distanziert. Er proklamiert, „dass die sexuelle Orientierung Ausdruck der Persönlichkeit ist und nicht zu Diskriminierung beziehungsweise Stigmatisierung von Menschen führen darf“. Er verwies auf die Berufsordnung für in Deutschland tätige Ärzte. Darin heißt es in Paragraf 7, Absatz 1: „Jede medizinische Behandlung hat unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte der Patientinnen und Patienten, insbesondere des Selbstbestimmungsrechts, zu erfolgen.“  Und der Ärztefunktionär droht den selbsternannten Schwulenheilern mit der Einleitung von standesrechtlichen Schritten.

Das war vor sieben Jahren. Seitdem ist offensichtlich nichts geschehen, es darf weiterhin ein krudes Gemisch aus Kräuterhexenesoterik und Frömmlerei über Schwule verbreitet werden und Heilung von etwas versprochen werden, das gar keine Krankheit ist. So etwas ist ein Skandal, zumal es Hinweise gibt, dass diese Quacksalbereien über Krankenkassen abgerechnet werden.

Aber vielleicht passen Globuli und Religion irgendwie doch zusammen: Schließlich eint beide, dass es keinerlei wissenschaftlichen Hinweis auf die Wirksamkeit gibt.

(Credit)

Illustration: Quirit

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