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UTOPIE Verkehrswende
„Fix und Foxi“ vs. „Freud und Jung“
Feinbild Journalist

„Fix und Foxi“ vs. „Freud und Jung“ 

Michael Hopps Autobiografie „Mann auf der Couch“. Der österreichische Journalist und ewige Chefredakteur ist Miterfinder der deutschsprachigen Ich-Reportage und hat seinem Über-Ich ein Buch gewidmet.

Zwei Hinweise vorweg: Ich arbeite seit 2020 hauptberuflich als Sozialpädagoge, und in Vorstellungsrunden, wenn wundervolle Kolleginnen und Kollegen aufzählen, mit welcher Art von schwierigen Adressaten und in welchen anspruchsvollen Zusammenhängen sie bisher Berufspraxis sammelten, habe ich mir angewöhnt zu sagen: „Bevor ich beim Jugendamt arbeitete, war mein Umfeld durch Menschen geprägt, die Alkoholprobleme hatten, Drogen konsumierten, unter sämtlichen Formen von ADHS, allerlei Neurosen und vor allem narzisstischen Persönlichkeitsstörungen litten. Sprich: Ich habe eine Karriere vorwärts und rückwärts in den Medien gemacht.“ Prima Gag, wird aber nicht immer verstanden.

Der zweite Hinweis lautet: Ich kenne Michael Hopp, dessen Buch im Fokus dieses Artikels steht, persönlich. Ob diese Hinweise in einem Zusammenhang stehen? Schauen wir mal.

Ein paar Allgemeinplätze: Es vergeht gefühlt nicht eine Woche, in der nicht in irgendeiner renommierten Redaktion ein Exceltabellenjockey mit dem Rotstift Amok läuft. Stellenstreichungen beim Spiegel, bei der Süddeutschen Zeitung und anderen. Die Auflagen erodieren (Funfact am Rande: Im April 2020 hat die linksalternative „tageszeitung“ Springers Ideologieschleuder „Welt“ in der harten Auflage aus Abo und Kiosk überholt). Statt mit journalistischem Instinkt aufgespürte Storys ist die Veröffentlichung von Content nach Vorgabe von Algorithmen das Geschäftsmodell. Die Typen sterben aus und somit auch die Geschichten über versoffene Chefredakteure. Ebenso sind heutzutage Geschichten über Redaktions-Napoleons unmöglich, die lieber mit der Führungscrew mitten am Tage ins Kino gegangen sind und der Belegschaft erst am Abend nach Ende des Films mitgeteilt haben, was alles am Heft geändert werden muss, sodass Nachtarbeit für die einfachen Redakteure an der Tagesordnung war.

Da war etwa ein Chefredakteur der „BILD-Zeitung“, der eine zweite Tür in einen Konferenzraum einbauen ließ, um nicht nach seinem Co-Chefredakteur den Raum zu betreten, sondern gleichzeitig. Es gab so viel Irrsinn und so viel Verschrobenheit in dieser Zeit in der Medienbranche, die niemand wirklich gestört hat, solange die Druckmaschinen ausgelastet waren und sich die Anzeigenseiten verkauften wie frisch geschnittenes Brot. Dann kam das Internet, dann kam Google, dann kam Krise. So viel zu Allgemeinplätzen.

Zu Michael Hopp, befand die FAZ einmal, „eine so wundersame journalistische Biografie hätten in der Medienbranche nur wenige“. Der gebürtige Wiener (*1955) startete seine Laufbahn bei Günther Nennings „Neuer Freier Presse“, ehe er als Redakteur zum Intellektuellenblatt „Forvm“ wechselte, als Schwulenbewegter 1978 in Berlin beim Tunix-Kongress teilnahm, beim ORF-Fernsehen Jugendformate moderierte und in Wien dann den „Wiener“ mitbegründete, diesem neuartigen Lifestyle-Blatt, das mit Ich-Reportagen im Stile Hunter S. Thompsons den deutschen Journalismus aufmischte. In Deutschland schrieb er reißerische Titelgeschichten für das Lifestylemagazin „Tempo“, das von Ex-Mitarbeitern seiner Wiener-Redaktion im Jahreszeitenverlag erschien und später Autoren wie Maxim Biller, Christian Kracht oder auch Helge Timmerberg hervorbrachte, die am deutschen Buchmarkt Erfolge feiern konnten.

Dann war der heute 65-jährige Chefredakteur der „Männer Vogue“ in München, Chefredakteur von „TV Movie“ im Bauer Verlag mit mehr als 2,7 Millionen verkauften Exemplaren, Chefredakteur einer Programmzeitschrift von Stefan Raab, Chefredakteur bei Gruner und Jahrs „TV Today“ sowie Verleger der Neuauflage von „Fix und Foxi“. Zwischendurch waren da wohl noch eine Chefradaktion eines Wirtschaftsmagazins, einer Wahlkampfzeitung für die SPÖ und diverse Aufträge im Kundenzeitschriftenbereich. Und natürlich die Mitarbeit beim People-Magazin „Die Bunte“, als der legendäre Choleriker Franz-Josef Wagner noch Chefredakteur war. Mittlerweile hat sich Michael Hopp als Chef der kleinen Agentur „Hopp und Frenz“ ganz in Richtung Content-Marketing transformiert und sitzt im schicken und lauschigen Hamburg St. Georg in Alsternähe.

Und dieser Michael Hopp hat nun ein Buch geschrieben. Das Buch handelt von Michael Hopp. Es steht zwar Roman drauf, was beim Leser die Erwartung weckt, ein belletristisches Werk mit fiktiven Inhalten zu erwerben. Das Buch heißt „Mann auf der Couch“ und ist eine Autobiografie, in der er seine Erfahrungen aus über 20 Jahren Psychoanalyse beschreibt. Die Psychoanalyse ist eine ziemlich nerdige (von Nerd) Form, etwas für sein Seelenheil zu tun. Und es ist offensichtlich auch nicht Sinn und Zweck dieses Buchs, das Zusammenspiel von Ich und Über-Ich und Es dem Leser zu erklären oder näherzubringen. Auf dieser Ebene schildert der Autor das Verhältnis zu seiner Therapeutin (einer Ü-90-Frau, die somit fast Zeitgenossin von Sigmund Freud und Carl Gustav Jung war) und sein Kampf um ihre Anerkennung (Wollte Ödipus eigentlich auch was von Oma?).

Wer sich auf eine Couch legt, tut dieses, um etwas von sich zu erzählen. Das macht Michael Hopp, und zwar in Form eines schonungslosen Seelenstriptease, der auch seinem persönlichen Umfeld wenig Intimität gönnt. In seiner zuweilen krassen Biographiearbeit geht er bis zur Engelmacherin zurück, wo seine damals minderjährige Mutter sich im letzten Moment für das Kind entschied.

Michael Hopp wuchs in seinen ersten Lebensjahren in mehr oder weniger prekären Verhältnissen bei seinen Großeltern auf. Seine Großmutter vergötterte ihn und hielt ihn zum Schreiben an, weil er der neue Johannes Mario Simmel werden sollte. Weitere Themen: eine schwere Krankheit, ein lahmes Bein, ein schwieriges Verhältnis zum Vater, wo er schließlich einzog, und die Suche nach anderen Vaterfiguren wie den auch in Deutschland bekannten österreichischen Journalisten Günther Nenning (moderierte unter anderem die Talkshow „3 nach 9“). Der machte den kleinen Michael zum veröffentlichten Journalisten – zwar nicht zu einem neuen Simmel, aber immerhin. Nach scheinbar wahllosem Sex mit Männern und Frauen, was ihn beim Intellektuellenblatt „Forvm“ in die Rolle des Schwulenredakteurs brachte, fand er sie doch noch, die große Liebe, mit der er eine Familie gründen wollte. Eine fünf Jahre ältere Engländerin mit großbürgerlichem Hintergrund, die Sängerin bei einer linken österreichischen Band war, die nach ihrem Ausscheiden auch mal am Eurovision Song Contest teilgenommen hat.

Drei Kinder wurden geboren („sanfte Geburt“). Die Mutter blieb zu Hause, Papi ging arbeiten. Als Papi das zu langweilig wurde und er die Familie wegen einer Redakteurin verließ, mit der das Saufen und der Sex viel geiler waren als mit seiner Frau, war der Sündenfall da. Er, Michael Hopp, der Chefredakteur, hat seine Familie zerstört und damit eine gewaltige Schuld auf sich geladen. Das sind so Stellen in diesem Buch, an denen einem der journalistische Instinkt gerne mal die andere Seite anrufen lassen würde. Vielleicht gab es dort womöglich eine ganz andere Wirklichkeitskonstruktion?

Michael Hopp begann eine Therapie, hatte berufliche Erfolge, war weiterhin Alkoholiker, verschuldete sich bis in den siebenstelligen Bereich, verliebte sich neu, besiegte den Dämon Alkohol, gründete wieder eine Familie und scheiterte wieder.

So ist das Leben. Nicht nur das Leben von Michael Hopp, sondern auch das von vielen anderen Menschen.

Das hört sich nach einem totalen Verriss des Buches an. Das ist es aber nicht, weil dieses Buch auf anderen Ebenen gut funktioniert. Im Journalismus gibt es – weil es eine Art Kunsthandwerk ist – keine geregelten Dienstlaufbahnen und auch recht unterschiedliche Zugänge. Michael Hopp gelingt es gut, die Ängste und Gefühle zu formulieren, die man auch noch als Chefredakteur haben kann. Dass nämlich jemand feststellt, dass man in Wirklichkeit gar nicht so toll ist, wie man sich darstellt, und womöglich überhaupt nichts kann.

Auch seine persönlichen Betrachtungen zu Themen wie Schuldenmachen oder zu den Entwicklungen des Medienmarktes insgesamt sind toll. In den über 500 Seiten steckt neben Larmoyanz, die stimmungsmäßig teilweise wie eine Reallife-Variante von Houellebecqs „Serotonin“ wirkt, pralle Mediengeschichte, wie etwa sein Verhältnis zum „Tempo“-Gründer Markus Peichl oder aber die Zustände rund um die österreichische Politjournalismus-Ikone Günther Nenning, dem Hopp zum Schluss einen übertriebenen Katholizismus vorwarf.

Irgendwie ist diese Lebensbeichte „Mann auf der Couch“ auch schwer katholisch. Die schlimmsten Sünden gestehen und ein paar Reuegebete verkürzen die Zeit im Fegefeuer.

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