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UTOPIE Verkehrswende
Der blinde Fleck der Medien
Fake News

Der blinde Fleck der Medien 

BILDblog-Urgestein Stefan Niggemeier hält Fake News für nichts Neues und die Angst davor, dass diese die kommenden Wahlen beeinflussen könnten, sogar für ein bisschen niedlich. Wie gewohnt spart er nicht an deutlichen Worten, beobachtet mit Sorge den Schulterschluss zwischen Facebook und Springer oder die Wahl des Präsidenten des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger. Seine Beispiele aus der Vergangenheit halten uns den Spiegel vor Augen und zeigen, wie schnell wir alle vergessen …

Bei der Bundestagswahl 2013 erreichten die Grünen deutlich weniger Stimmen, als ihr noch wenige Monate zuvor prognostiziert wurden. Geschadet hatte der Partei nach Ansicht vieler Beobachter nicht zuletzt die Diskussion um den „Veggie Day“. Sechs Wochen vor der Wahl titelte die BILD-Zeitung: „Grüne wollen uns das Fleisch verbieten“ und damit eine gewaltige Empörungswelle ausgelöst.

Dabei war die Nachricht weder neu noch zutreffend. Seit Jahren hatten die Grünen dafür plädiert, vegane und vegetarische Ernährung sowie „Veggie Days“ zu fördern. Im Wahlprogramm hieß es bloß: „Öffentliche Kantinen sollen Vorreiterfunktionen übernehmen.“ Es war weder von allen Kantinen noch von konkreten Verboten die Rede. Die ließen sich auf Bundesebene ohnehin nicht umsetzen. Doch diskutiert wurde darüber auf der Grundlage der Verfälschung und maßlosen Übertreibung von BILD. Die Nicht-Neuigkeit wurde von Agenturen und anderen Medien aufgeregt verbreitet. Selbst die vermeintlich seriöse Frankfurter Allgemeine Zeitung sprach von einem „staatlichen Fleischverbot“.

Man hat das damals nicht Fake News genannt, weil es den Begriff noch nicht gab. Vor allem aber haben die meisten anderen Medien diese Fake News nicht bekämpft, sondern fröhlich weiterverbreitet.

Wir erinnern uns: Christian Wulff ist am 17. Februar 2012 vom Amt des Bundespräsidenten zurückgetreten, weil die Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet hatte. Der öffentliche Druck sowohl auf Wulff als auch auf die Staatsanwaltschaft war noch einmal erheblich gewachsen, nachdem die BILD-Zeitung am 8. Februar berichtet hatte, Wulffs Freund David Groenewold habe versucht, „Beweise aus der Welt zu schaffen“.  Dieser Vorwurf war falsch, wie BILD Monate später juristisch anerkannte. BILD wusste auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schon, dass die Vorgänge anders waren, als sie behauptete.

Der falsche Vertuschungsvorwurf war bei Wulff womöglich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Man hat das damals nicht Fake News genannt, weil es den Begriff noch nicht gab. Vor allem aber haben die meisten anderen Medien diese Fake News nicht bekämpft, sondern fröhlich weiterverbreitet. Bei der Nachrichtenagentur dpa ist ein Hinweis darauf, dass Groenewold eine einstweilige Verfügung gegen BILD durchsetzte, unter dubiosen Umständen untergegangen. Die BILD-Autoren der Falschmeldung, Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch, wurden später von ihren Kollegen für einen anderen Artikel zum Thema mit einem Preis für ihre „investigative Leistung“ ausgezeichnet.

Jetzt, auf einmal, entdecken die Medien die Gefahr der Fake News und wollen mit großem Einsatz dagegen kämpfen. Was für eine Heuchelei.

Vor gut zwölf Jahren haben wir damit begonnen, im BILDblog die Zumutungen der BILD-Berichterstattung zu dokumentieren; die „kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme“, wie es damals hieß. Dafür gab es ein bisschen Aufmerksamkeit von den Kollegen, Schulterklopfen und Preise, aber an fast keiner Stelle das Gefühl, dass das doch eigentlich eine gemeinsame Aufgabe des seriösen Journalismus wäre. Wir hätten auf das Alleinstellungsmerkmal, systematisch gegen die Lügen von BILD zu kämpfen, gerne verzichtet.

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