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Wer Twitter verfolgte, wusste es zuerst. Am 13. September meldete der rbb über den Kurznachrichtendienst: Bernd Lammel, Vorsitzender des DJV Berlin, solle „IM Michael“ gewesen sein. Die Abendschau berichtete dann ausführlich über den Verdacht, Lammel habe für das Ministerium der Staatssicherheit der DDR gearbeitet.
Auf der Website des rbb äußert sich Gabi Probst, die Autorin des Beitrags, folgendermaßen: „Laut rbb-Informationen soll er in den 80er-Jahren als Informeller Mitarbeiter tätig gewesen sein.“
Andere Medien zogen nach, jeder Tweet zum Thema erzeugte auch ein fast gleich lautendes Echo von Bild Investigativ. Der Berliner Tagesspiegel setzte vorsichtig hinzu: „Vieles scheint an der Sache aber noch ungereimt.“
In der Tat. Die Verdachtsberichterstattung über Bernd Lammel ist in der Rückschau ein schlagendes Beispiel für mangelnde Recherche und Sorgfalt und die rücksichtslose Jagd nach dem gefühlten Skandal, bei dem es nicht um Aufklärung, sondern nur um kurzfristige Aufmerksamkeit geht. Kurzum: Der Fall Lammel beschreibt exakt und exemplarisch den katastrophalen Zustand vieler Medien in Deutschland.
Aber der Reihe nach. War Bernd Lammel, freiberuflicher Fotograf und Vorsitzender eines der beiden Berliner Landesverbände des DJV, ein „inoffizieller Mitarbeiter“ (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR? Sicher war er das – in den Augen der Stasi. Das kann man in den Akten nachlesen. Aber was ist maßgebend: Das, was die Stasi dachte und in den Akten niederschrieb, oder kann man sich auch eine andere Perspektive vorstellen?
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