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Fotografie

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Die Bilder des Fotografen Matthias Steinbach gehen direkt unter die Haut – das Grauen in den Augen der Menschen, die hier überleben, das Grauen der riesigen Slums von Nairobi ist plötzlich ganz nah: in den dunklen, verwinkelten Gassen wächst kein Grashalm, der Boden ist bedeckt mit klebrigem Müll. Um den Hunger und das Elend zu vergessen, schnüffeln Männer, Frauen, Kinder an Plastikflaschen mit Klebstoff – die Hauptdroge der Slums.

Mit zwei kenianischen Sozialarbeitern hat sich Matthias Steinbach in diese No-go-Areas gewagt, mit Bodyguards war er im Südsudan, in Somalia, Uganda und Simbabwe genau dort unterwegs, wo sich selbst die Polizei nur ungern blicken lässt.

Matthias Steinbach fotografiert seit 1998 – weltweit, sein Thema sind die ­Armut, das Elend der Menschen. Er will uns mit seinen Bildern wach halten, unseren Blick schärfen. Seine Fotoreportagen aus russischen Gefängnissen wurden in den Bildungsserver des Landes Brandenburg aufgenommen. Das United Nations Food Programm WFP (Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen), das UNHCR (Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen) und Ärzte ohne Grenzen (MSF) arbeiten eng mit ihm zusammen.

NITRO sprach mit dem Dokumentarfotografen und Sozialpädagogen Matthias Steinbach über seinen Mut und seine Kraft, das Leben der Menschen in Katastrophenregionen und Krisengebieten zu dokumentieren, und darüber, warum bei seiner Heimkehr nach Deutschland seine Seele noch eine Zeitlang zu Fuß geht.

NITRO: Matthias Steinbach, warum sind Sie Fotograf geworden?

Matthias Steinbach:  Es war mein Herzenswunsch, schon als Jugendlicher. Als Kind schaute ich mir oft die Fotoalben meiner Eltern an, und die Bilder darin waren meist gestellt. Die Familie, Freunde oder Bekannte wurden in einer Reihe positioniert, und alle schauten in die Kamera. Dabei entstanden immer dieselben Fotos, und ich fand das sehr langweilig. Meine erste Kamera, eine Canon A1, bekam ich mit fünfzehn. Ich fotografierte anfangs meine Freunde, aber ich machte nie gestellte Fotos. Mein erstes wirklich gutes Foto, an das ich mich heute noch erinnere, war eine Nahaufnahme von einem Pantomimen, der sich nach der Vorstellung abschminkte. Für mich war das Foto so besonders, weil es aussah, als ob sich etwas abschält von dem Künstler und sich innen ein Mensch offenbart. Ich habe meine Fotos damals alle selbst entwickelt. Weil ich viele Nächte in meiner Dunkelkammer verbrachte, sagten meine Freunde oft, ich sei im „Rotlichtmilieu“ aufgewachsen.

NITRO: Studierten Sie Fotografie?

Matthias Steinbach:  Nein, Sozialpädagogik und Sozialarbeit, aber meine Kamera war mein ständiger Begleiter. Ich habe die Fotografie und die Sozialarbeit immer miteinander verbunden.

NITRO:  Wo zum Beispiel?

Matthias Steinbach:   Im November 1998 absolvierte ich ein Praxissemester in Nicaragua und fotografierte dort die Verwüstungen des Hurrikan Mitch. Es war der schwerste Hurrikan in diesem Gebiet seit mehr als 200 Jahren. Mehr als 19 000 Menschen kamen ums Leben, die Infrastruktur des Landes war in großen Teilen vernichtet, Krankheiten und Seuchen brachen aus. Ich geriet mitten hinein in eine humanitäre Katastrophe, dokumentierte mit meiner Kamera das unfassbare Leid und die Zerstörung vor Ort. Für die Begegnung mit Menschen in einer derart dramatischen Situation braucht man wirklich eine hohe Sensibilität und viel Einfühlungsvermögen. Die Ereignisse in Nicaragua haben mich so berührt, dass ich damals entschied, meine Diplomarbeit über Dokumentarfotografie zu schreiben.

NITRO:  Konnten Sie während des Studiums noch in anderen Ländern fotografieren?

 Matthias Steinbach:  1998 war ich in Russland und fotografierte in einem Jugendgefängnis in Sankt Petersburg den sonst verborgenen Alltag der dort inhaftierten Insassen. Der Kontakt zu dem Gefängnisdirektor entstand über ein Netzwerk an meiner Fachhochschule in Potsdam, doch als wir in Sankt Petersburg ankamen, war keinesfalls klar, dass ich wirklich fotografieren durfte – bis der Gefängnisdirektor dann schließlich grünes Licht gab.

NITRO: Eigentlich sind Sie ein diplomierter Sozialpädagoge, sind Leiter einer Einrichtung für drogengefährdete Jugendliche in Berlin-Kreuzberg und haben momentan einen Lehrauftrag als Dozent an der Potsdamer Fachhochschule. Dann beschlossen Sie, sich als Fotograf in Krisen- und Kriegsgebiete zu wagen – warum?

Matthias Steinbach:   Mein Job als Sozialpädagoge ergänzt sich perfekt mit dem des Fotografen. Mit dem Einkommen aus der Sozialarbeit kann ich meinen Job als Dokumentarfotograf teilweise finanzieren, aber auch die NGOs, für die ich arbeite, übernehmen die zum Teil horrenden Kosten. Aber es kommt mir nicht nur aufs Geld an. Ich brauche dieses normale Leben in Berlin auch, um für die Fotoreportagen in Krisengebieten genug Energie zu tanken, denn dieser Job kostet viel Kraft. Ich denke auch, wenn man als Fotograf von Bildern leben muss, ist die Dynamik, wie man fotografiert, eine andere. Der Druck, einem Auftraggeber Fotos liefern zu müssen, ist sehr groß. Ich wollte immer unabhängig sein.

NITRO:  Sie fahren also ohne Auftrag in Kriegs- beziehungsweise Krisengebiete?

Matthias Steinbach:   2003 flog ich nach Nairobi, um am Symposium der Internationalen Gesellschaft für Mobile Jugendarbeit teilzunehmen, in dem es um Straßenkinder ging. Vorher hatte ich den Veranstalter, das Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg, als möglichen Sponsor kontaktiert und eine gute Vereinbarung getroffen.

NITRO: Nämlich welche?

Matthias Steinbach:  Ich liefere die Fotos ohne Honorar, das Ministerium finanziert mir dafür sechs ­Wochen Nairobi und einen Kontaktmann vor Ort.
  

NITRO: Darauf ließ sich das Ministerium ein?

Matthias Steinbach:  Ja, ich hatte Glück, und es war für uns beide eine Win-Win-Situation.

NITRO:  Was fotografierten Sie dort in Afrika?

Matthias Steinbach:  Die kenianische Hauptstadt ist unter den afrikanischen Städten, die sich nicht im Krieg befinden, definitiv eine der härtesten Metropolen für Kinder und Jugendliche in Afrika. Ich fotografierte sie in den Slums und Straßen von Nairobi, und ihr Schicksal ließ mich nicht mehr los. Seit meinem ersten Aufenthalt bin ich regelmäßig dort, manchmal flog ich sogar mehrmals im Jahr nach Nairobi, um in einer Langzeitdokumentation das Schicksal dieser Menschen festzuhalten.

NITRO: Wo konnten Sie die Fotos zeigen?

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