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UTOPIE Verkehrswende
Kolumne

Heide-Ulrike Wendt zum Thema: Du sollst nicht ehebrechen! 

Heide-Ulrike Wendt suchte wie immer nach Antworten, muss darauf aber 1000 Jahre warten.

Treffen sich zwei Pfarrer und der eine fragt den anderen: Hallo, wie geht’s?“

„Geht so“, antwortet der, „mir ist gestern mein Fahrrad geklaut worden, und ich weiß natürlich nicht, von wem.“

„Na, das rauszufinden,dürfte Dir doch nicht schwerfallen“, sagt der andere. „Nimm Dir in deiner Predigt am nächsten Sonntag einfach die zehn Gebote vor und beobachte dabei, wer von Deinen Schäfchen beim SIEBENTEN GEBOT — du sollst nicht stehlen – einen roten Kopf bekommt.“

Als sich die beiden eine Woche später wieder treffen, fragt der eine den anderen: „Und? Wer ist im Gottesdienst beim SIEBENTEN GEBOT rot angelaufen?“

„Ich bin gar nicht so weit gekommen“, sagt der andere, „denn beim SECHSTEN GEBOT * ist mir eingefallen, wo ich es stehengelassen habe.“

Ich weiß jetzt natürlich nicht, ob Sie auf Anhieb wussten, was das SECHSTE GEBOT von einem guten Christenmenschen verlangt, ich persönlich musste jedenfalls nachschlagen — obwohl wir die ZEHN GEBOTE im Religionsunterricht pauken mussten wie das Kleine Einmaleins.

Doch es waren nicht die zehn Gebote, die mir als Kind zu schaffen machten, obwohl mich meine Eltern, wenn ich am Sonntag mit Verweis auf das dritte Gebot den Abwasch verweigerte, gebetsmühlenartig an das vierte erinnerten: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dir’s wohlgehe und du lange lebest auf Erden.

Nein, es war die Sorge um das Wohl unserer Familie, die mich mürbe machte. Meine Eltern hatten sich nämlich bereits 1955 einen Schwarz-Weiß-Fernseher gekauft – damals soll es davon landesweit nur 100 000 gegeben haben – und wir galten damit in unserem Kuhdorf als reich. Meinen Bruder, der den Religionsunterricht meist schwänzte, seit er seine Heiligenbildchen nicht mehr gegen Briefmarken tauschen konnte, ließ das komplett kalt, mich aber nicht, denn ich hatte genau dort erfahren, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. (Markus 10,25)

„Blödsinn“, meinte mein Bruder, „wie soll denn ein Kamel durchs Nadelöhr passen? Aber folgender Spruch könnte für Dich wichtig sein: „Selig sind, die da geistlich arm sind: denn das Himmelreich ist ihr.“

Hätte es damals schon einen Tebartz-van Elst gegeben, wäre mir viel Kummer erspart geblieben – also, was das Kamel, das Nadelöhr und das Himmelreich betrifft.

Die religiösen Grabenkämpfe zwischen mir und meinem Bruder spitzten sich zu, als er in Geschichte eine Hausarbeit über die Hintergründe der Hexenverbrennungen schreiben musste und bei seinen Recherchen auf Thomas von Aquin, einen der einflussreichsten Philosophen und Theologen der Geschichte, stieß. Hatte er mir vor dem Studium dieses Kirchenlehrers (1225 bis 1274) auf der Straße noch „Der Storch hat ooch Beene, aber Waden hat er keene“ hinterhergebrüllt, beschränkte er sich nun auf den kurzen, aber einprägsamen Satz seines neuen Lehrmeisters: „Die Frau ist nischt weiter als ´n missglückter Mann.“

In der römisch-katholischen Kirche wird Thomas von Aquin als Heiliger verehrt. Natürlich nicht nur wegen seiner frauenverachtenden Ansichten wie „Das Weib ist dem Manne von Natur aus unterworfen. Denn im Manne überwiegt von Natur aus die Unterscheidungskraft des Verstandes.“ Auch sein Statement „Steuern sind ein erlaubter Fall von Raub“ dürfte in diesen Kreisen durchaus auf Wohlwollen stoßen.

Beim Thema Religion heiter zu bleiben, vor allem als Frau, ist schwer, und ich denke dabei nicht an Sprüche wie den von Johannes Chrysostomos (349-407), einen der größten christlichen Prediger: „Die Weiber sind hauptsächlich dazu bestimmt, die Geilheit der Männer zu befriedigen.“

Nein, ich denke ganz gegenwärtig an eine Frau wie Gerburg K., der Simone Schmollack in dem Beitrag „Vater unser“ Gehör verschafft, denn die fromme Katholikin darf bei der Erstkommunion ihres achtjährigen Sohnes nicht dabei sein, weil sie mit einem Sünder (und Katholiken) verheiratet ist, was im Klartext heißt: Er war schon einmal verheiratet, ließ sich aber scheiden und verletzte damit das Scheidungstabu seiner Kirche.

Oder ich denke an den Bericht der Fotografin Sera, die dabei war, als die türkische Polizei brutal gegen die Demonstranten im Gezi-Park vorging, und nun um die Menschenrechte, vor allem der Frauen, in ihrem Land fürchtet, „denn die sollen zu Hause bleiben, drei Kinder gebären, ihre Haare bedecken, lange Mäntel tragen und tun, was der Herr ihnen befiehlt…“

Die Pröpstin Friederike von Kirchbach antwortet auf unsere Frage, wie sie die Rolle der Frau in der Kirche und der Religion beschreiben würde: „Auch in der evangelischen Kirche sind Frauen erst seit den1970er Jahren gleichberechtigt… und die Gleichberechtigung war kein Selbstläufer, sondern musste von den Frauen Stück für Stück erstritten werden. Deshalb kann ich Frauen nur raten, sich nicht in Geduld zu üben, sondern ungeduldig zu sein und weiter zu kämpfen.“

Auch Annegret Laakmann von der Reformbewegung „Wir sind Kirche“ befürchtet, dass die Debatte um Reformen in beiden christlichen Kirchen andauern wird: „Kirche denkt nicht in Jahren. Kirche denkt in Jahrtausenden.“

Das stimmt auch nicht heiter, ich weiß, aber das: Ein Rabbi ärgert sich darüber, dass viele der Gläubigen ohne Käppi in die Synagoge kommen. Also schreibt er an den Eingang: „Das Betreten der Synagoge ohne Kopfbedeckung ist ein dem Ehebruch vergleichbares Vergehen.“

Am nächsten Tag steht darunter: „Hab ich probiert. Kein Vergleich!“

Das glaube ich gern.

* Du sollst nicht ehebrechen!

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