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35 JAHRE MAUERFALL
Manfred Krug – das Unikat
Manfred Krug FOTO: BERND LAMMEL
Kino

Manfred Krug – das Unikat 

Manfred Krug wäre am 8.Februar 2017  80 Jahre alt geworden

Er war Schauspieler und Sänger. Für Beides war er gleichermaßen talentiert und betrieb es mit Leidenschaft, so dass es immer nur eine Frage der Zeit war, diesen seinen Neigungen mit Lust zu frönen.
Stilistisch war er nicht einzuordnen. Krug sang Pop-Jazz-Folk-Schlager-Musical-Bossanova-Chansons. Das ist eine nicht existierende Kategorie, die ihn als Ausnahme-Erscheinung auf dem Amiga-Label und seine persönliche DNA auf dem deutschen Musikmarkt darstellte. Er war ein Unikat. Für ihn gab es keine musikalische Schublade.

Trotzdem ein ganz persönlicher Versuch von Jörg Stempel, dem letzten Amiga-Chef*

Manfred Krug - das Unikat
Manfred Kug
FOTO: BERND LAMMEL

Angefangen hat er mit tanzmusikalischen Schlagern einerseits und Jazz-Titeln andererseits – offenbar stark inspiriert durch den jungen Ray Charles. Kennern in Ost und West galt er in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre als bester Jazz-Sänger Deutschlands. Neben den stilsicheren Interpretationen bekannter Standards war es vor allem seine Fähigkeit, musikalische Einflüsse aus den USA gekonnt fürs deutsche Temperament zu adaptieren und diesen Liedern auf die ihm eigene Weise damaligen Zeitgeist einzuhauchen.
So gelingt Krug mit Aufnahmen wie „Wenn du schläfst mein Kind“ und „Ich weiß ein Mädchen“ eine originelle Mischung aus Jazz, Schlager und deutschem Kunstlied. Professionell intoniert, mal kräftig, mal zart oder auch verträumt singend.

Am Anfang Big Band Jazz mit Klaus Lenz und Volkslieder ohne Pathos im Kino

Schon in den 1960er Jahren nahm Krug vor allem mit Klaus Lenz, Henry Kotowski, Andre Asriel und Wolfram Heicking viele Songs – auch Jazz-Standards – auf, zu denen er eigene deutsche Texte beisteuerte.
Mit großem Unterhaltungswert läßt sich sein Werdegang als Schauspieler und Sänger im Film „Auf der Sonnenseite“ nachempfinden. Er singt ein Volkslied (Guten Abend, gute Nacht) und man schämt sich nicht, dieses gut zu finden oder sogar mitzusingen.
Die Krug‘sche Version von “House Of The Rising Sun“ mit seinem deutschen Text hat wohl jeder junge Mensch ob am oder ohne Lagerfeuer vorgetragen, um junge Mädels zu beeindrucken. Das Problem war nur – so wie „Manne“ konnte es keiner interpretieren. Seine stimmlichen Varianten, seine emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten waren einfach phänomenal.
Als Oberschüler – heute sagen wir Gymnasiast dazu – hatte ich logischerweise mit Opern nichts am Hut, aber als Manfred Krug den Sporting Life in „Porgy und Bess“ an der Komischen Oper gab, habe ich mit List und Tücke eine Karte ergattert und argumentierte wie selbstverständlich meinen Eltern gegenüber „So, muss Oper klingen…, dann kriegt ihr mich auch zu weiteren „Bildungs-Versuchen“ überredet !“

Manfred Krug CD-Box Amiga-Titel
Manfred Krug – 10 CDs mit Amiga-Titeln

Bei den legendären Live-Veranstaltungen und über das Medium Schallplatte machte Manfred Krug sich auch einen Namen als Sprecher satirischer Prosa durch seine Mitwirkung bei den Veranstaltungen „Jazz und Lyrik“ sowie „Lyrik, Jazz und Prosa“. Vor allem durch seinen Vortrag von „Die Kuh im Propeller“ fand diese LP auch lange nach der Übersiedlung von Krug in die BRD 1977 seine permanente Verbreitung in der DDR, denn kaum eine Studentenféte kam ohne Satzfetzen aus diesem Gedicht aus. Wie Evangelen ihren Luther nachsprechen, so nahmen DDR-Menschen ihren Krug „in den Mund“.

Schon immer spürte Krug Interesse für derbdeftige Liebeslieder und produzierte die LP „Manfred Krug spricht und singt Carl Michael Bellmann“. Hier stellt sich Krug als Interpret sinnenfreudiger Liebeslyrik vor, als wären sie ihm auf den Leib geschrieben. Dass die nordischen Verse des „Schwedischen Francoise Villon“ auch heute noch etwas zu sagen haben, lässt sich am Beispiel des CD-Projektes von Hannes Wader, Reinhard Mey und Klaus Hoffmann „Liebe, Schnaps, Tod“ festmachen. Ihre CD kam 30 Jahre nach der Krug’schen Produktion heraus.

 

Eine musikalische Symbiose mit Günther Fischer

Die Beatles waren am Ende – Manfred Krug traf Günther Fischer. Die erste gemeinsame Aufnahme war „Der Tag beginnt“ (1. Version) – der Beginn einer überaus produktiven Zusammenarbeit.
Herauskristallisiert hat sich dieser einmalige Stil in der kongenialen Partnerschaft mit Günther Fischer – mit dem er in der ersten Hälfte der 70er Jahre vier Alben produzierte, die noch heute zeitlos, originell, witzig und so angenehm leichtfüßig klingen, dabei nie belanglos und permanent Appetit auf mehr machen.
Fischer bediente die Stimme von Krug, „Manne“ lieferte ungewohnte und skurrile Texte, die sich von bisherigen Klischees wohltuend abhoben. Seine Ideen, sein Witz, seine textliche Phantasie inspirierten Günther Fischer zu diesem Stilmix, so dass Krug sich zu dem Zitat hinreißen ließ:
„So einen wie Fischer gibt es nur alle 50 Jahre einmal, das ist mein kleiner Mozart“. Und er legt nach: „Ich liebe Schlager, aber den harmonisch anspruchsvolleren, den man erst nach dem fünften Hören liebgewinnt, aber dann 100 mal lauschen kann, ohne dass es langweilig wird. Und solche Lieder hat mir der „Fischi“ geschrieben !“
Manfred Krug hat keine Hit-Singles veröffentlicht bzw. LPs mit zwei, drei „Knallern“ und restlicher Füllmasse – weder vor Fischer noch danach.

Persönliche Erinnerungen an einen verehrten Künstler

Seine Lieder waren und sind immer besonders. Sie lassen einen außergewöhnlichen Sänger hören, der vielleicht deshalb so wohltuend auffällig war, weil er auch als Schauspieler eine Präsenz hatte, die ihresgleichen suchte.
1996 habe ich Manfred Krug persönlich kennengelernt, hatte zahlreiche Begegnungen mit ihm, habe viele Gespräche geführt und konnte zwei Alben mit ihm produzieren.
1999 fing er an im Tatort „ein paar Liedchen mit Charles Brauer zu trällern“ – Start für Teil 2 seiner sängerischen Karriere.
Im Jahr 2000 veröffentlicht Krug auf AMIGA seine CD „Schlafstörung“.

Krugs Doppel-CD "Wunderbar"
Krugs Doppel-CD „Wunderbar“

„Ich wollte mal mit einem Arrangeur und Musiker zusammen arbeiten, von dem ich wahrgenommen hatte, dass er ein beseelter Musiker ist und von dem ich selbst gehört hatte, dass er sein Instrument wirklich beherrscht. Das ist auf der Trompete, die wahrlich schwerer zu spielen ist, als ein Saxophon, der Till Brönner. Und das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist die „Schlafstörung“ – mein bestes Album im neuen Jahrtausend,“ so Manfred Krug zur Entstehung dieser CD.
Weil der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, nahm Sänger Manfred mit Tochter Fanny 2003 auch eine Duett-Platte auf, die ebenfalls auf AMIGA erschienen ist.

Warum Krug in der DDR ein Idol wurde

Ich war noch nicht jugendgeweiht, aber wusste ziemlich genau, wo es langgeht, um berühmt zu werden. Ich musste nur meinen Helden, meine Idolen nacheifern. Das waren die Beatles, Manfred Weißleder, Peter Ducke und Manfred Krug. Wieso Manfred Krug… fragte mein Schulfreund Harald Drese, für den nur Fußball in Frage kam ?
Weil der so – jetzt wollte ich glatt „cool“ sagen, aber den Ausdruck gab es damals noch nicht – echt ist. Der war als Parteisekretär auch mal besoffen und hat „Das Haus in New Orleans“ besser als Eric Burdon gesungen – lautete meine Antwort.
Eine große Verehrung begann. Ich hörte auch seine Jazz-Nummern, sah seine Filme, vor allem die, wo er sang und selbst „Wege übers Land“ schaute ich mir – zur Freude meiner Eltern – freiwillig an.
Während meines Außenhandel-Studiums verbrachte ich mehr Zeit im Studentenclub als im Hörsaal, wurde Leiter des Clubs und lernte Werner „Josh“ Sellhorn kennen. Josh war einer der profundesten Jazz-Kenner der DDR, organisierte und moderierte die jährlichen Krug- Lenz-Tourneen und tingelte durch Studentenclubs mit Vorträgen über Ray Charles und Stevie Wonder.
Wir hatten uns durch seine Vorträge in unserem Club angefreundet, meine Anfragen bezüglich Manne Krug beantwortete er immer abschlägig, bis er mich eines Tages anrief und mir anbot, die neue Krug-Lenz-Tour in unserem Audimax zu starten.
Hintergrund war… Lenz hatte eine blutjunge Sängerin in Leipzig entdeckt, die er mit Krug auf die Bühne bringen wollte. Wegen der Kritiker sollte die Premiere nicht im Friedrichstadtpalast stattfinden. Er wollte das Ganze testen und da wäre ein studentisches Umfeld gerade recht.

Die Entdeckung der Jazzsängerin Uschi Brüning

Das Konzert kam wirklich zustande – am 16.3.1973 ! Die junge Sängerin war Uschi Brüning und sang so beseelt, dass wir zur Pause mehr von ihr als vom routiniert auftretenden „Manne“ begeistert waren. Im zweiten Teil zeigte dann der „Meister“, wer hier der eigentliche Star auf der Bühne war.
Viele Jahre später habe ich ihm von diesem Auftritt erzählt… und er konnte sich genau erinnern. Das Publikum soll immer das Beste kriegen – es verehrt mich und ich verehre meine Fans.

1977 reiste Manfred Krug aus. Ich hatte zum Glück alle seine LPs – die erste und „Ein Hauch von Frühling“ (übrigens meine Lieblingsplatte) zur Sicherheit doppelt – eine zum Abspielen, eine zum Aufheben.
1978 veröffentlichte er im Westen „Da bist du ja“ – ein halbes Jahr später hatte ich das Album als Kassettenumschnitt in meinem Rekorder.
Ja, das war „mein Manne“, selbst wenn die Musik nicht von Günther Fischer war. Im Westen hat die LP allerdings keiner verstanden. Schubladenformate in den Medien ließen solche „musikalischen Experimente“ nicht zu. Krug erzählte mir später – „Das war ein echter Flop, weshalb ich auch meine Betätigung als Sänger eingestellt habe“.

Bertelsmann kaufte die Rechte an AMIGA

Ende 1993 erwarb BMG München die Rechte am Amiga-Katalog. Ich arbeitete zu dem Zeitpunkt als Vertriebsleiter Ost der BMG in Berlin und brachte die schönen Produkte von Ariola – von den Wildecker Herzbuben bis Whitney Houston – in ehemals ostdeutsche Plattenläden. Ab 1.1.1994 machte mich Thomas Stein zum „Amiga-Statthalter“ und meinte – hol aus dem Katalog raus, was da noch geht.
Eine unserer erfolgreichsten Veröffentlichungen war die LP „Jazz, Lyrik, Prosa“ auf CD – inzwischen weit über 100.000 mal verkauft. Einer der Protagonisten dieses Albums war Manfred Krug.
Meine Chefs staunten nicht schlecht, dass wir eine Live-Veranstaltung mit einem literarisch-musikalischem Programm auf CD so oft verkaufen konnten. „ Die Kuh im Propeller“ – sie verstanden nur Bahnhof. Jazzmusik – ist doch eigentlich unverkäuflich. Mein Antrag bei der Phonoakademie brachte uns einen Jazz-Award und mir einen Grund, mit Krug Kontakt aufzunehmen. Das war 1996
Seitdem gab es einen umfangreichen Briefwechsel zwischen dem von mir so verehrten Manfred Krug und mir. Es gab viele Begegnungen und Gespräche. Diese mündeten in die Produktion der Alben „Schlafstörung“ und „Sweet Nothings“ – eine Duettplatte mit seiner Tochter Fanny.
Jetzt, wo ich die Zusammenstellung einer DVD über den Sänger Manfred Krug mache, spüre ich den Verlust, ihn nicht mehr als Künstler erleben zu können, umso mehr. Ich habe mir all seine Filme und Auftritte im Fernsehen noch einmal angeschaut, habe ausgewählt, habe Material mit über 6 Stunden zusammengetragen, habe wieder selektiert und nun sind über 3 Stunden auf dieser DVD.

DVD Manfred Krug
DVD Manfred Krug

DVD mit Glanzstücken aus Krugs Sänger-Karriere

Sie zeigen den Sänger Manfred, nicht den Schauspieler. Sie präsentieren in erster Linie die enorme stilistische Bandbreite, die er als Sänger zu bieten in der Lage war. Wie zart und berührend er interpretieren, wie er seiner Stimme Ausdruck verleihen konnte – mal laut, mal leise, mal markig mal zerbrechlich – sind unverwechselbare Momente. Nicht zuletzt sind sie der Tatsache geschuldet, dass Krug sich die Texte größtenteils selbst geschrieben hat.
So sehen und hören wir den Song vom Briefträgers aus Baltimore (Komposition: Biermann) und die Highlights als Sportin‘ Life aus „Porgy And Bess“, seine Sangeskünste in DEFA-Spiel- und Dokumentarfilmen bis zu Fernseh-Auftritten in großen und kleineren Shows in Ost und West.
Eine Rarität, weil bislang nie veröffentlicht, ist der Promofilm zum Album „Schlafstörung“, in dem der Sänger Manfred Krug mit dem Trompeter und Arrangeur Till Brönner parliert, Krug den Kollegen des BMG-Vertriebes erklärt, was „Bückware“ ist und warum er Werbung nicht mag … bis auf eine Ausnahme !
Diese Ausnahme ist er – MANFRED KRUG.

 

 

 

 

 

 


*AMIGA war das DDR-Plattenlabel für populäre Musik, bei dem Manfred Krug seine meisten Tonträger verlegte. Jörg Stempel bewahrte die AMIGA-Schätze nach der Wende. Das Label wird heute bei SONY Music verlegt.

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