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KRIEG UND FRIEDEN
Es geht auch ohne 
einen großen Verlag
In Zukunft nachhaltig

Es geht auch ohne 
einen großen Verlag 

Das Bildbearbeitungsmagazin DOCMA hat gerade seine 100. Ausgabe herausgebracht – nach 20 Jahren mit erfreulichen Höhen und niederschmetternden Tiefen, eher schlechten Erfahrungen mit großen und kleinen Verlagen und guten, nachdem die Macher das Projekt in die eigenen Hände genommen hatten. DOCMA-Mitgründer und Herausgeber Doc Baumann berichtet, wie ein solches Vorhaben selbst in schwierigen Zeiten funktionieren kann.

Bekanntlich überlebt etwa ein Drittel neu gegründeter Zeitschriften das erste Jahr nicht, viele weitere müssen bald danach aufgeben. 20 Jahre lang durchzuhalten und noch immer nicht vom Markt verschwunden zu sein, ist also nicht selbstverständlich. Noch dazu, wenn kein großer Verlag hinter dem Vorhaben steht, der notfalls Verluste auffangen kann, sondern wenn die Macher des Heftes auch die verlegerische Arbeit selbst organisieren.

Lässt sich daraus ein Erfolgsrezept ableiten? Das weiß ich nicht, weil ich weder Betriebswirtschaftler bin noch mich sonderlich intensiv um das Medienumfeld kümmere. Aber wenn ich meine eigenen Erfahrungen zugrunde lege und diese Geschichte einmal aus ganz persönlicher Sicht erzähle, dann sehe ich zwei wichtige Faktoren: eine hohe Kompetenz für das zentrale Thema und, damit unmittelbar verknüpft, eine hohe Akzeptanz bei der Zielgruppe.

Die Vorgeschichte

Womöglich ist noch keine Zeitschrift so schnell entstanden wie DOCMA, mehr oder weniger innerhalb einiger Minuten. Was im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass sie aus dem Nichts entstand. Ich hatte mich bereits seit 1984 mit digitaler Bildbearbeitung befasst, schrieb seit 1988 für verschiedene Computer- und Gestaltungszeitschriften, verfasste ab 1990 etliche Bücher zum Thema und hielt gelegentlich Vorträge oder leitete Seminare.

Außerdem war ich, fast nebenbei, Chefredakteur eines Magazins, das ich in wenigen Jahren von einer 800er-Auflage, 16 Seiten in Schwarzweiß, zu einer vollfarbigen Monatszeitschrift mit 140 Seiten und mehreren zehntausend verkauften Exemplaren gemacht hatte – der frühesten in Deutschland auf DTP-Basis, noch bevor hierzulande der erste Laserbelichter installiert wurde. Das Heft hatte allerdings nichts mit digitalen Bildern zu tun; die „Bikers News“ war ein Magazin für Motorradrocker. Dabei hatte ich nicht einmal einen Motorradführerschein, sondern war als Kunstwissenschaftler in die Szene gerutscht, weil mich die Ikonographie von Motorradtankbemalungen interessierte. Meinen Spitznamen Doc brachte ich übrigens aus der Rockerszene mit.

Dort lernte ich einiges, was mir später weiterhelfen sollte: dass ein Magazin auch in einem winzigen Verlag erscheinen kann (der Besitzer war begeisterter Rocker, aber zunächst ohne die geringste Ahnung davon, wie man eine Zeitschrift macht), dass man die Leser ernst nehmen muss, dass die Personen erkennbar sein sollten, die hinter einem Heft stehen … und dass es hilft (gerade mit einem akademischen Hintergrund als Kunstphilosoph), sich so auszudrücken, dass man auch verstanden wird.

Die Vorbereitungen

Insofern trifft es zwar zu, dass DOCMA innerhalb weniger Minuten entstand – aber auf solidem Fundament. Ohne Erfahrungen nützt aller Enthusiasmus nichts. (Wobei das in unserem Fall nicht bedeutete: Volontariat – das hatte keiner von uns.)

2002 besuchte mich Christoph Künne in meinem abgelegenen Dorf in Mittelhessen. Der studierte Kulturwissenschaftler hatte 1991 an der Uni die Segnungen der digitalen Dunkelkammer kennengelernt und sein langes Studium als freier Industrietrainer für Photoshop, QuarkXpress und Freehand finanziert, bevor er zur schreibenden Zunft wechselte. Wir wollten diskutieren, wie wir mit der Einstellung eines Schulungsheft-Projekts umgehen, das wir eigentlich gemeinsam hätten realisieren sollen. Wir arbeiteten beide für das Magazin „ComputerFoto“, waren uns bis zu diesem Treffen aber nur zweimal begegnet – und litten beide darunter, für vorgeschlagene Themen immer zu wenig Platz zu bekommen. Irgendwann schlug ich vor: „Wie wäre es denn, wenn wir eine eigene Zeitschrift gründen? Die Redaktionen wollen hauptsächlich Kamera-Tests, für unsere Workshops bekommen wir selten mehr als vier Seiten. Da kann man nicht wirklich in die Tiefe gehen. Hätten wir eine eigene Zeitschrift, könnten Tutorials auch mal zwölf Seiten lang sein, wenn das sinnvoll ist. Nur Bildbearbeitung, ohne den ganzen Kamera- und Technikanteil, den die Foto-Magazine bringen“ (auch, weil sie die Anzeigen brauchen).

„Gute Idee“, meinte Christoph Künne. Ich verließ kurz die Terrasse, wo wir bei Kaffee (er) und Buttermilch (ich) zusammensaßen, ging ins Haus, telefonierte, kam nach ein paar Minuten zurück und teilte ihm mit: „Alles klar, der Verlag Publishing Port ist interessiert. Machen wir ein Konzept.“

Und so trafen wir uns kurze Zeit später auf derselben Terrasse wieder. Diesmal war auch der ehemalige MACup-Chefredakteur Volker Riebartsch dabei, der gerade mit seinen alten Redaktionskollegen diesen Verlag gegründet hatte. 100 Seiten sollte unsere erste Ausgabe haben und im Herbst 2002 erscheinen.

Allerdings nannten wir das Heft nicht von Anfang an „DOCMA“. Die ersten zweieinhalb Magazine trugen noch den sperrigen Titel „Doc Baumanns Magazin für digitale Bildbearbeitung“ – bis man das am Kiosktresen ausgesprochen hatte, waren die in der Schlange hinter einem schon ungeduldig geworden.

Der Grund für diese Benennung war einfach: Viele Leser kannten mich durch meine Beiträge in anderen Zeitschriften und Bücher. Sie wussten also ungefähr, was sie erwartet. Zentral für unser Konzept war die Vermittlung von Bildbearbeitungswissen (lange nur Photoshop-bezogen) in Form von Tutorials. Heute hat, auch außerhalb von DOCMA, deren Aufbau eine vertraute Form: Einleitungstext, gefolgt von großen Bildern mit integrierten Screenshots, Werkzeug-Icons oder Tastaturbefehlen, ausführliche Bildunterschriften. Allerdings habe ich diese Struktur erst entwickelt; als ich damit anfing, wollten die Redaktionen alles in langen Fließtexten erläutert haben, geschmückt mit einer Handvoll Abbildungen. Es brauchte Jahre, sie von der Step-by-step-Form zu überzeugen.

Im Rückblick war es ein nicht geringes Wagnis, dem Magazin den Namen DOCMA zu geben, mit dem niemand etwas anfangen konnte. Es dauerte eine Weile, bis wir ihn gefunden hatten. Nach dem endlos langen „Doc Baumanns Magazin …“ sollte er vor allem kurz sein. Irgendwas aus unserem Namen? DOKU, BAKU, KUBA … Bis Christoph Künne die zündende Idee hatte: Nehmen wir einfach unsere akademischen Titel: Doctor und Magister. DOCMA! Dass das auch noch an „Dogma“ erinnert, war uns nur recht. Jedenfalls heißt es nicht „Docs Magazin“.

Drei Anfänge mit drei Verlagen

Mit Schwerpunkt auf Tutorials und dem damals neuen Photoshop 7 erschien bald das erste Heft. Die Erstausgabe verkaufte sich recht gut. Dennoch musste der Verlag aus anderen Gründen Insolvenz anmelden. Wir standen also nicht nur ohne Honorar für Ausgabe 1 da, sondern auch ohne Verlag. Leider nicht zum letzten Mal. Was tun?

Zum Glück war ich damals nicht nur DOCMA-Mitgründer, sondern noch immer auch Herausgeber der „Bikers News“. Nun lief es wie ein Jahr zuvor: Anruf beim Verlagschef, diesmal mit Verweis auf ein bereits gut laufendes Heft, wenn auch ohne jeden Bezug zu dem, was der Verlag sonst herausbrachte; dann war alles klar: Das Magazin würde künftig in Mannheim erscheinen. Heft 2 kam im Juli 2003 heraus.

Doch schnell zeigte sich, dass die Mitarbeiter eines Verlages, die sonst mit Rockerclubs, Motorradschraubern und Tätowierstudios zu tun hatten, nicht gerade geübt darin waren, mit Anzeigenkunden aus der Fotoindustrie zu verhandeln. Und so machten sich Christoph Künne und ich bald erneut auf die Suche, fuhren quer durch Deutschland zu diversen Gesprächsterminen mit Verlagen und Investoren, bei denen aber nichts herauskam, weil alle ein so großes Stück vom Kuchen haben wollten, dass sich die Arbeit nicht mehr gelohnt hätte.

Schließlich stießen wir auf einen alteingesessenen Verlag in Düsseldorf, mit dem wir uns nicht nur zügig auf faire Konditionen einigen konnten, sondern der darüber hinaus den Vorzug hatte, auch die Zeitschriften „Photographie“ und „Fotoheft“ herauszubringen – das ergänzte sich gut. Vor allem die Kontakte zu den Anzeigenkunden waren sehr hilfreich – ebenso wie das professionelle Abo-Management. Marke und redaktionelle Verantwortung blieben bei uns.

Ausgabe 4 war die erste, die 2004 in Düsseldorf erschien. Sie konnte bereits die Gewinnerarbeiten des zweiten DOCMA-Awards (Thema „UFO-Fakes“) vorstellen, die anlässlich der Photokina 2004 ausgestellt wurden. Diesen Wettbewerb für digitale Bilder hatten wir bereits mit Heft 1 ins Leben gerufen, die erste Präsentation der Gewinnerarbeiten im Willy-Brandt-Haus in Berlin gezeigt. Viele der Sieger sind heute bekannte Bildbearbeiter, für deren Karriere die Teilnahme ein erster wichtiger Schritt war. Später schafften wir es bis in die Tagesschau.

Nicht nur der Verlag hatte sich geändert: Zwar schrieben wir weiterhin und noch viele Jahre die meisten Beiträge selbst, aber es kamen immer mehr Artikel von freien Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen dazu. Dafür war nun endlich Geld vorhanden: Die verschiedenen Sichtweisen taten dem Heft und der Themenvielfalt gut.

Bereits im Editorial von Heft 2 hatten wir klargemacht: DOCMA ist ein „Forum für Profis und solche, die es werden wollen.“ Dass durchaus nicht alle Leser Profis waren, merkten wir an vielen Anfragen, die Grundkenntnisse vermissen ließen, vor allem aber, wenn man uns auf Messen und Veranstaltungen ansprach: „Euer Heft ist wirklich ganz toll – nur steige ich leider bei den Workshops nach dem dritten Schritt aus, weil ihr zu viel voraussetzt.“ Wie schafft man es, das selbst gesetzte Niveau zu halten und trotzdem Menschen anzusprechen, die noch viel über Bildbearbeitung lernen müssen? Auch das diskutierten wir ausgiebig und kamen zu einem ungewöhnlichen Ergebnis: Nicht das Anspruchsniveau des Heftes senken, sondern die Kompetenz der Leser anheben – außerhalb von DOCMA.

So entstand „Photoshop Basiswissen“, eine Art Enzyklopädie in 22 Bänden mit insgesamt rund 2600 Seiten. Das Konzept: In jedem Band behandelten wir ein abgeschlossenes Thema, in den ersten vier ging es etwa um Auswahlen, Farbkorrektur, Schärfen und Camera Raw. Grundkenntnisse waren nicht nötig, jeder Band begann quasi bei null. Wer ihn bis zum Ende durcharbeitete, hatte für diesen Bereich Profiwissen erreicht … und konnte nun auch DOCMA-Artikel verstehen. Nach zwei Jahren war die Reihe komplett und am Buchmarkt ein großer Erfolg. In den nächsten Jahren sollten weitere DOCMA-Bücher bei verschiedenen Verlagen folgen.

Lesen Sie den ganzen Artikel im aktuellen Heft.

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