Der Wissenschaftsautor und Jurist Martin Vogel hatte gegen die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) geklagt. Er wandte sich gegen die Verteilungspraxis der VG Wort, die Verlage an ihren Einnahmen beteiligt und dadurch seine und die Anteile aller anderen Autoren verringert. Das Oberlandesgericht München gab am 17. Oktober 2013 der Klage des Autors gegen den Verteilungsplan der VG Wort statt. Im aktuellen Revisionsverfahren vor dem BGH geht es um den Entscheid des Oberlandesgerichts München vom Oktober 2013. Der Ausgang des Rechtsstreits ist weiterhin offen. Das Gericht hat die Verkündung einer Entscheidung für den 21. April 2016 angekündigt. Die Verwertungsgesellschaft WORT verwaltet treuhänderisch urheberrechtliche Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche für mehr als 400.000 Autoren und über 10.000 Verlage in Deutschland. Ein Urteil im Sinne des Klägers, der in den bisherigen Verfahren plausibel erklären konnte, dass die Verlage keine Urheberrechte geltend machen könnten, würde das bisherige System der Vergütung erschüttern und den Autoren den alleinigen Anspruch zubilligen.
Das NITRO-Magazin hat mit dem Kläger Dr. Martin Vogel gesprochen und gibt hier seine Sicht über die VG Wort wieder.
Eine Entscheidung noch am Tag der mündlichen Verhandlung, die am 10. März stattfand, war nicht zwingend. Noch wenige Tage vor der Verhandlung sind umfangreiche Schriftsätze beim Senat eingegangen, die das Gericht ebenso wie den beiderseitigen weiteren Vortrag in der Verhandlung sorgfältig prüfen muss. Angesichts dessen empfiehlt es sich nicht, eine Entscheidung übers Knie brechen. Eine solche Situation kenne ich aus meinem früheren Berufsleben.
Allerdings hatte ich bereits vor der Aussetzung des Verfahrens die Sache für entscheidungsreif gehalten, weil die vom Europäischen Gerichtshof entschiedene Frage in der Sache Reprobel meines Erachtens nicht vorgreiflich für die Sache vor dem BGH war. Dort geht es allein darum, ob an Verleger, die anders als die Urheber unstreitig keine Rechte in die VG Wort einbringen, ausgeschüttet werden darf. Nach der Satzung der VG Wort erhalten die Verleger 50 Prozent der Einnahmen aus der Vergütung für die Privatkopie (das sind jährlich 30 Millionen Euro) unstreitig allein auf Grund ihrer verlegerischen Leistung. Das ist rechtswidrig. Denn als treuhänderisch tätige Wahrnehmungsgesellschaft darf die VG Wort nur an diejenigen ausschütten, die ihr Rechte an konkret bezeichneten Werken nachgewiesen. Das haben das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen unmissverständlich so entschieden. Denn dies erfordert der Treuhandgrundsatz.
Gesetzliche Vergütungsansprüche übertragen der VG Wort aber allein die Urheber. Nach der VG Wort-Satzung brauchen Verleger – und das ist unbestritten – ihr gar keine Rechte übertragen. Verleger brauchen sogar noch nicht einmal behaupten, Inhaber von derartigen Ansprüchen zu sein. Trotzdem erhalten sie Jahr für Jahr mit Billigung der staatlichen Aufsicht über Verwertungsgesellschaften Ausschüttungen in Millionenhöhe. Was die VG Wort auf diese Weise betreibt, ist keine treuhänderische Rechtewahrnehmung, zu der sie allein berufen ist, sondern reine Wirtschaftsförderung. Dazu ist sie im Interesse derjenigen und nur derjenigen, die ihr Rechte übertragen haben, nicht befugt. Mit den Zahlungen an Verleger, die ihr keine Rechte übertragen haben, entzieht sie den berechtigten Urhebern einen großen Teil ihrer gesetzlichen Vergütung. Sie setzt sich dadurch dem Vorwurf der Veruntreuung aus. Das gilt sowohl für den Vorstand als auch für den Verwaltungsrat der VG Wort, und das gilt in gleicher Weise für die VG Bild-Kunst und für die GEMA, bei denen die Dinge ähnlich gelagert sind.
Verleger könnten abgesehen davon keine Rechte bei der VG Wort einbringen, weil ihnen die Urheber keine gesetzlichen Vergütungsansprüche wirksam übertragen. Dafür sorgt Paragraph 63a des Urheberrechtsgesetzes. Er erklärt gesetzliche Vergütungsansprüche für unverzichtbar und abtretbar an einen Verleger nur, wenn dieser die Ausschüttung treuhänderisch für den Urheber entgegennimmt. In den ganz überwiegend mündlich geschlossenen Verlagsverträgen und mit den Meldezetteln der VG Wort werden freilich gar keine gesetzlichen Vergütungsansprüche an Verleger übertragen. Übertragungsklauseln, wie sie nur sehr selten in schriftlichen Verlagsverträgen begegnen, und in Wahrnehmungsverträgen mit der VG Wort sind nach dem Recht über Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Daran kann kein Zweifel bestehen, weil sie zu einer unangemessenen Benachteiligung des Urhebers führen.
Zieht man all das in Betracht, kommt es auf das EU-Recht nicht an. Der BGH bräuchte deshalb auch keine Frage an den Europäischen Gerichtshof richten. Die Klage müsste bereits auf der Grundlage des Rechts über den Geschäftsbesorgungsvertrag und das Treuhandrecht zum Erfolg führen. Aber man weiß nie!
Viele Autoren werden nicht wissen, dass ver.di und DJV die Interessen ihrer Mitglieder verraten, indem sie vom Gesetzgeber fordern, dass die Beteiligung der Verleger am Aufkommen der Urheber gesetzlich festgeschrieben wird. Das ist ein Skandal! Denn es geht bei allen Verwertungsgesellschaften zusammengenommen um jährlich 60 Millionen Euro. Aber diese beiden Verbände und ihre Funktionäre haben schon in der Vergangenheit entgegen ihrer Treuhandverpflichtung massiv dazu beigetragen, dass die Gelder ihrer Mitglieder um die Hälfte gekürzt werden.
– Martin Vogel –
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