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Amazon-Chef Dr. Schneider im Interview: Prime Video für jeden Haushalt
© THORSTEN JOCHIM
Interviews

Amazon-Chef Dr. Schneider im Interview: Prime Video für jeden Haushalt 

Der amerikanische Onlineversandhändler Amazon fährt nicht nur beim Verkauf von Waren Rekordumsätze ein, auch der Streamingdienst Amazon Prime Video findet reißenden Absatz. Im April 2021 konnte die 200-Millionen-Kundenmarke für Prime gerissen werden, ein Gesamtpaket, das auch Prime Video enthält. Doch auch Gewinner haben noch Träume: Dr. Christoph Schneider, Geschäftsführer von Amazon Prime Video Deutschland, wünscht sich seinen Streamingdienst als mediale Grundversorgung für jeden Bundesbürger.

? Amazon Prime Video ist seit 2014 in Deutschland verfügbar. Waren die vergangenen sieben Jahre im Hinblick auf das deutsche Publikum eine Erfolgsgeschichte?

! Definitiv. Als wir gestartet sind, steckte Streaming noch in den Kinderschuhen. Wir mussten die deutschen Zuschauer erst für das Streaming, also für nonlineares Fernsehen, begeistern. Das ist uns sehr schnell gelungen. Als wir 2014 anfingen, wurde noch kommentiert, dass wegen des starken Free-TV-Programms kein Bedarf für Streaming in Deutschland bestünde. Das war falsch. Es brauchte eine gewisse Anlaufzeit, aber die Nutzervorteile und die Qualität haben das Publikum schnell von Abonnement-finanziertem Streaming überzeugt. Wir haben von Anfang an überraschend gute Erfolge erzielt, und das ist bis heute so geblieben.

? Der deutsche Markt ist speziell. Er wird beherrscht von den öffentlich-rechtlichen Anstalten, die über die Haushaltsabgabe finanziert werden. Sehen Sie die öffentlich-rechtlichen Sender in den kommenden Jahren zunehmend als Konkurrenz

! Wir konkurrieren mit allen natürlich um Zeit und Aufmerksamkeit der Kunden. Auf der anderen Seite arbeiten wir aber auch als Partner mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zusammen. Wir lizenzieren Produkte der Öffentlich-Rechtlichen von Anfang an sehr intensiv und haben einen sehr guten Austausch miteinander. Wo es Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit gibt, tun wir das, und ich bin mir sicher, dass sich das in Zukunft weiter intensivieren wird.

? Also eher ein Partner und weniger ein Konkurrent?

! Wir sehen Möglichkeiten für Partnerschaften nicht immer, aber immer öfter. Wir haben auch keinen Absolutheitsanspruch und sagen: Kunden sollen nur noch Prime Video schauen. Unsere Kunden schauen natürlich auch weiterhin Free TV. Ich sehe auch langfristig eine sehr gute Koexistenz. Also nicht entweder-oder, sondern und.

? Mit Netflix und Disney haben Sie allerdings eine starke Konkurrenz. Netflix meldete kürzlich, dass sich das Wachstum verlangsamt. Ist das Wachstumspotenzial für Prime Video in Deutschland auch langsam ausgeschöpft?

! Definitiv nicht. Wir haben gerade im April die 200-Millionen-Kunden-Marke für Prime überschritten. Wenn Sie sich die Haushaltsdurchdringung anschauen, was Streamingdienste angeht, gibt es im Gegensatz zu anderen Ländern noch sehr viel Potenzial in Deutschland. Ich bin überzeugt, dass das Wachstum anhält.

? Die Werbung auf Amazon verspricht ein „unvergleichliches Streaming-Erlebnis“ – Netflix lockt mit dem Slogan „One Story Away“. Worin unterscheiden sich Amazon Prime Video und Netflix oder anders gefragt: Was macht Amazon besser oder anders als die Konkurrenz?

! Jeder Streamingdienst hat ein einzigartiges Angebot, bei dem jeder Nutzer seine bevorzugten Serien und Filme abrufen kann, und wir bieten zusätzlich noch Sport, unter anderem ab Herbst die UEFA Champions League mit dem Highlightspiel am Dienstag. Prime Video unterscheidet sich signifikant von allen anderen Anbietern. Wir sind kein Solo-Streamingdienst, wir sind Teil von Prime. Prime-Kunden haben neben Zugriff auf Filme, Dokumentationen und Serien bei Prime Video, auch die Vorteile von kostenloser, schneller Lieferung ihrer Amazon-Bestellungen und den Musik-Streamingdienst Amazon Music eingebettet – alles für 69 Euro im Jahr.

Diverse Marktstudien sagen, dass viele Streamingnutzer mehrere Abonnements abschließen. Das ist ähnlich wie im Free TV: Sie schauen ja auch nicht nur ARD, ProSieben oder RTL. Ich denke, es wird in Zukunft normal sein, dass Kunden zwei oder drei Streamingdienste abonniert haben.

? Ein großer Vorteil der Öffentlich-Rechtlichen oder der Free-TV-Programme ist die Aktualität, also Nachrichten, und viele Nutzer in Deutschland bevorzugen deshalb das lineare Fernsehen. Wie lange wird es lineares Fernsehen in Deutschland noch geben – ist es ein Auslaufmodell?

! Das sehe ich nicht. Vielleicht werden sich die Schwerpunkte der Inhalte verschieben, was lineares und nonlineares Fernsehen angeht. Dramas oder TV-Serien wandern immer mehr ins Streaming ab, aber bei den Nachrichtenformaten wird das Free TV weiter sehr stark sein.

Ich glaube, dass es da noch lange eine Koexistenz geben wird. Vergessen darf man auch nicht, dass die Nutzer in Deutschland ihrer Gewohnheiten nicht von heute auf morgen über Bord werfen. Es wird in ­Zukunft sicher kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-Auch geben.

? Schalten Sie Öffentlich-Rechtlichen Sender ein?

! Ich nutze Free TV, und ich nutze Streamingdienste.

? Die ARD will weg vom „betonierten“ Sendeprogramm hin zu einem flexiblen und attraktiven Angebot in der Mediathek. Sind die Archive von ARD und ZDF – besonders bei Dokumentationen – interessant für Amazon? Planen Sie hier eine engere Zusammenarbeit mit den Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland?

! Wir sind schon jetzt ein guter Kunde der Öffentlich-Rechtlichen, denn wir lizenzieren viel Programm – Dokumentationen, Serien und Kinderprogramme. Natürlich können die Öffentlich-Rechtlichen ihre Archive aufmachen, ich würde es nur nicht überschätzen. Archivmaterial aus den 1960er- oder 1970er-Jahren sieht man sich einmal an, vielleicht um sich an etwas zu erinnnern. Aber Fernsehprogramm aus den 1950er-, 1960er- oder 1970er-Jahren? Ich bin nicht sicher, ob das wirklich so gut laufen würde.

? Bisher sprechen Sie eher ein jüngeres Publikum an. Um Wachstum zu generieren, müssen Sie aber auch ältere Zuschauer von den Vorteilen der bezahlten Streaming-Angebote überzeugen. Wie wollen Sie diese Zielgruppe erreichen?

! Menschen haben Gewohnheiten. Manche sagen: Brauche ich nicht, weil ich es nicht kenne oder weil ich nicht weiß, wie es funktioniert. Die können wir mit Benutzerfreundlichkeit und guten Inhalten überzeugen. Ein großer Vorteil ist auch die Flexibilität, Sendungen dann zu sehen, wann man will. Immer mehr junge Nutzer überzeugen Eltern und Großeltern von Streaming-Angeboten. Wenn ein Sohn, eine Tochter oder ein Enkel die Eltern oder Großeltern von einem Streamingdienst überzeugt, werden auch ältere Menschen immer mehr nonlineares Programm schauen – neben dem linearen. Ich bin überzeugt, dass Streaming gerade in den älteren Zielgruppen stark wachsen wird.

? In einem Interview sagten Sie, es sei Ihre Traumvorstellung, dass das Amazon-Basisprodukt in Zukunft in allen deutschen Haushalten als Entertainment-Grundversorgung genutzt wird. Was genau würde ein Amazon-Basisprodukt beinhalten?

! Ein Angebot von Serien, Filmen, Dokumentationen und natürlich Sport. Ich denke, damit kommt der normale Zuschauer schon sehr weit. Meine Traumvorstellung wäre, es zu schaffen, dass jeder Haushalt Prime Video als Grundpaket nutzt.

? Nennen Sie jemanden in Ihrem Umfeld, der kein Prime-Abo hat?

Das Interview führte Bettina Schellong-Lammel

 

Das ganze Interview lesen Sie in der aktuellen Printausgabe.

Dr. Christoph Schneider ist Geschäftsführer von Amazon Prime Video in der DACH-Region und Head of Television Europe, zeichnet dabei unter anderem für die Contentstrategie des Video-on-Demand-Angebots in Europa verantwortlich. Ab 2010 war er Mitglied der Geschäftsführung der maxdome GmbH und ab 2011 als Alleingeschäftsführer maßgeblich für die erfolgreiche Integration der Online-Videothek in die ProSiebenSat.1-Gruppe verantwortlich.

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