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KRIEG UND FRIEDEN
Putins Terror 
in der Ukraine
Foto: Bernd Lammel
Interviews

Putins Terror 
in der Ukraine 

Die Fernsehreporterin Katrin Eigendorf war bereits bei Kriegsbeginn in der Ukraine – vom ersten Tag an. Seitdem reist sie regelmäßig mit ihrem Team dorthin und hat den Menschen in Deutschland den Krieg über die Fernsehnachrichten in die Wohnzimmer gebracht. Sie berichtet von Tod und Leid, von Zerstörung und vom Terror der russischen Armee gegen Zivilisten. Im Gespräch mit NITRO schildert die mutige Reporterin ihre ganz persönlichen Eindrücke aus der Ukraine, von Kindern, die nach Russland entführt werden, von einem unerbittlichen, brutalen Krieg und von den Menschen und deren „Alltag“.

? Die meisten Menschen in Deutschland und der Welt wünschen sich Frieden. Die Menschen in der Ukraine aber müssen seit zwei Jahren mit einem brutalen und völkerrechtswidrigen Krieg leben, den Russland gegen ihr Land führt. Seit dem ersten Kriegstag und seitdem immer wieder sind Sie als Reporterin in der Ukraine unterwegs und berichten über den Krieg und Menschen, die täglich mit Bombenangriffen rechnen müssen und von Tod und Leid bedroht sind. Ist Ihrer Meinung nach ein Ende dieses Krieges in irgendeiner Form in Sicht?

! Das ist schwierig zu beantworten, denn es sind immer nur Momentaufnahmen, die ich und mein Team, mit dem ich in der Ukraine unterwegs bin, machen können. Wenn ich mir die Momentaufnahme jetzt anschaue, sehe ich relativ wenige Perspektiven dafür, dass dieser Krieg bald beendet werden kann. Wir müssen uns immer fragen: Was meinen wir mit Frieden? Die Ukrainer meinen sicher mit Frieden einen gerechten Frieden – keinen Frieden allein zu Russlands Bedingungen. Ich sehe im Moment keine Anzeichen dafür, dass Russland bereit ist, einen Frieden zu anderen Bedingungen als den eigenen zu schließen. Deswegen bin ich, was die Momentaufnahme angeht, sehr pessimistisch, dass dieser Krieg in Kürze beendet werden kann.

Mehr als 100 000 russische Soldaten an der Grenze zur Ukraine

? Sie waren bereits zu Beginn des Krieges im Jahr 2022 in der Ukraine. Wann sind Sie angekommen und wie haben Sie das Land damals vorgefunden?

! Ich bin am 24. Februar 2022, also am ersten Tag des Krieges, in die Ukraine gereist und wurde vom Krieg auf dem Weg nach Kiew überrascht. Ich erlebte das Land und diesen Krieg in verschiedenen Phasen, denn er hat sich unterschiedlich entwickelt.

Zu Beginn war da der Schock. Die Ukrainer waren ebenso schockiert wie ich. Es mag uns heute im Rückblick erstaunen, warum die Menschen überrascht waren, denn es hatte ja zuvor viele Anzeichen dafür gegeben, dass es Krieg geben könnte. Die USA und andere Länder warnten mehrfach vor einem flächendeckenden Angriff der Russen, denn es gab große Truppenkontingente von mehr als 100 000 Soldaten, die Russland an der Grenze zur Ukraine stationiert hatte. Und trotzdem: Wirklich glauben wollten die meisten Ukrainer nicht, dass Russland ihr Land überfallen könnte. Die meisten Menschen, mit denen ich damals gesprochen und die ich erlebte habe, versuchten erst einmal, sich irgendwie in der Situation zurechtzufinden und zu realisieren, dass Krieg herrscht. Ich erinnere mich, als ich am 24. Februar 2022 im Hotel in Winnyzja ankam, stand eine der Angestellten an der Rezeption und versuchte, sich klarzumachen, was es bedeutet, wenn Alarm ausgelöst wird: dass sie alle Gäste in den Schutzkeller bringen muss. Unter diesem Schock zu realisieren, dass jetzt Krieg herrscht, war für die Menschen eine große Herausforderung.

? Vor mehr als zwei Jahren erfuhr die Welt von den Gräueltaten der russischen Armee in Städten wie Butscha, Borodjanka oder Irpin. Wie hat der Krieg die Menschen in der Ukraine verändert?

! Das hängt davon ab, in welchem Teil der Ukraine die Menschen leben. Am heftigsten betroffen von diesem Krieg sind die Menschen, die im Osten, also zum Beispiel in einer Stadt wie Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, leben. Menschen direkt an der russischen Grenze erleben diesen Krieg natürlich intensiver als Menschen in Lwiw oder Kiew. Davon abhängig ist auch ihre Haltung gegenüber diesem Krieg. Was wahrscheinlich allen Ukrainern gemein ist oder was die große Mehrheit vereint, ist die Tatsache, dass sie entschlossen sind, ihr Land zu verteidigen, es nicht aufzugeben.

Russische Besatzung bedeutet Unterdrückung

? Im März hatte der Papst gefordert, die Ukrainer sollten die weiße Fahne hissen, um das Töten zu beenden. Diese Äußerung hat weltweit unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Ist die Einschätzung realistisch, dass der Krieg zu Ende wäre, wenn die Ukrainer die weiße Flagge hissen würden?

! Die Forderung des Papstes fand ich sehr bemerkenswert – besonders vor dem Hintergrund, dass die weiße Flagge in den vergangenen zwei Jahren in vielen Situationen tatsächlich gehisst wurde. Sie wurde von Menschen gehisst, die in Krankenhäusern waren, die von der russischen Armee bombardiert wurden. Sie wurde gehisst von Menschen, die in ihren Autos vor Panzern geflohen sind und trotzdem von russischen Soldaten beschossen wurden. Es ist also klar, dass eine weiße Fahne keinen Schutz bietet. Russische Besatzung bedeutet Unterdrückung; und jedem, der sich zur Wehr setzt, drohen Mord, Folter, Entführung von Kindern und Vergewaltigung. All das haben die Ukrainer in den vergangenen zwei Jahren erlebt. Es gibt auch Gebiete im Osten der Ukraine, die russisch besetzt waren und von den Ukrainern zurückerobert wurden. Menschen aus diesen Gebieten haben uns Journalisten ihre Geschichten erzählt. Die Menschen in der Ukraine und auch wir Journalisten wurden mit Orten wie Butscha oder Irpin, den Orten im Norden von Kiew konfrontiert. Dabei wurde klar, wie die russische Armee Krieg führt: Es geht nicht allein um die Eroberung von Gebiet, sondern darum, die nationale Identität und Kultur der Ukraine zu vernichten.

Lesen Sie das ganze Interview im aktuellen Heft.

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