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KRIEG UND FRIEDEN
Das grüne Band: Vom Todesstreifen zur Lebenslinie
Luftbild von der ehemaligen Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten, Hessen und Thüringen, Werra-Meißner-Kreis und Lkr Heiligenstadt BUND
Historie

Das grüne Band: Vom Todesstreifen zur Lebenslinie 

Es gibt noch Naturwunder in Deutschland: Mitten durch unser Land zieht sich von der Ostsee bis ins sächsisch-bayerische Vogtland bei Hof ein 1393 Kilometer langes Grünes Band. Ein zusammenhängender Streifen wertvollster Biotope mit einzigartigen Rückzugsräumen für bedrohte Tiere und Pflanzen. Es sind zwischen 50 und 200 breite ungenutzte Flächen der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Im zweifelhaften Schutz der unmenschlichen Grenzanlagen mit Metallzäunen, Minen und Grenzpatrouillen bekam die Natur eine dreißigjährige Atempause. Und die Natur nutzte sie. Es entwickelte sich ein Stück unberührter Wildnis mit großartigen Altgrasfluren, Busch- und Waldparadiesen, Feuchtgebieten und blühenden Heiden. Für die Natur entpuppte sich der Todesstreifen als Lebenslinie.

1400 Kilometer tödliche Grenze durch Deutschland: 3000 Kilometer Zäune, 200 Kilometer Mauer, 800 Kilometer Kfz-Sperrgraben, 1800 Kilometer Kolonnenweg, 850 Wachtürme, 1,2 Millionen Tonnen Beton, 700.000 Tonnen Eisen. Der Aufwand am Eisernen Vorhang war gewaltig, eine Investition in die Zukunft war er nicht. Das heutige Grün Band dagegen ist eine für Generationen wertvolle Investition: Als lebendiges Denkmal der jüngeren deutschen Zeitgeschichte, als Querschnitt durch fast alle deutschen Landschaften, als nicht mehr trennendes Band zwischen den alten und den neuen Bundesländern. 

Grünes Band BUND

Anerkennung als „Nationales Naturerbe“

Noch im Wendejahr, im Dezember 1989, organisierte der Bund Naturschutz und der bayerische Landesverband des BUND das erste Treffen mit Naturschützern aus Ost und West in Hof. Hier wurde die Idee und der Name „Grünes Band“ geboren – das erste gesamtdeutsche Naturschutzprojekt. Seine besondere Bedeutung zeigt sich in der Anerkennung als „Nationales Naturerbe“. Zusammen mit den Nationalparken (nicht parks?) und Biosphärenreservaten gehört es zu den wichtigsten Naturlandschaften Deutschlands, die Bundesregierung führt es als Leuchtturmprojekt für den Schutz der Artenvielfalt. 

Um die wertvollen Lebensräume schnell und langfristig zu schützen und auch für kommende Generationen erlebbar zu machen, kauft der BUND Grundstücke im Grünen Band. Bislang in sechs Pilotregionen (siehe Karte). Hier führt der BUND vielfältige Maßnahmen zum Schutz der kostbaren Natur durch. 

Froschkonzert im Kranichkindergarten 

Das Grüne Band in der Altmark bei Salzwedel ist geprägt von Feucht- und Moorgebieten. Hier schuf der BUND Sachsen-Anhalt ein Refugium für nordische Gänse und Kraniche, indem er Erlenbruchwälder und Grünland wieder vernässt und Kleingewässer anlegt. Seither brütet der Kranich auch im Grünen Band. Zu einem der wertvollsten Erlenbruchwälder Norddeutschlands entwickelte sich das 150 Hektar große, wieder vernässte Moorgebiet im Stadtforst Salzwedel. Seeadler, Schwarzstörche und Fischotter durchziehen die ausgedehnten Feuchtgebiete, Laub- und Moorfrosch fühlen sich im renaturierten Cheiner (heißt das so?) Torfmoor wohl.

Letzter Rest Niedermoor 

Das Große Bruch ist ein 45 Kilometer langes ehemaliges Niedermoorgebiet zwischen den Flüssen Bode und Oker. In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde das Gebiet fast vollständig trockengelegt und zu Ackerland umgebrochen. Dennoch haben sich Relikte der früheren Artenfülle wie Brachvogel und Kiebitz im Grünen Band halten können, dass das Große Bruch auf einer Länge von rund 25 Kilometern durchzieht. Durch Grundstücksankäufe sowie die Anlage von Gewässern und Gehölzen will der BUND die letzten naturnahen Lebensräume im Großen Bruch bewahren.

Der Ulstersack – Heimat von Eisvogel & Co. 

Die Rhön gilt als eines der vielgestaltigsten und artenreichsten deutschen Mittelgebirge. Seit 1991 ist sie als UNESCO-Biosphärenreservat geschützt. Die frühere innerdeutsche Grenze verlief mitten hindurch. Um die Grenze an der Ulster zu sichern, hatte man (wann?) das Ufer mit Basaltsteinen befestigt. Anfang 2007 kaufte der BUND Flächen an und begann, dem Fluss mehr Platz und ein natürlicheres Ufer zurückzugeben. Uferschwalbe, Flussuferläufer und Eisvogel können sich in diesem Lebensraum besser entwickeln und die bedrohte Bechsteinfledermaus findet wieder ein abwechslungsreiches Jagdgebiet.

Willi Wanstschrecke will ins Grüne Band 

Die Wanstschrecke ist eine ausgesprochen seltene Heuschreckenart. Aufgrund ihres dicken Wanstes ist sie nicht sehr mobil und benötigt dringend zusammenhängende Lebensräume. Bei Mendhausen im Landkreis Hildburghausen kauft der BUND Thüringen deshalb (zur Zeit?) Ackerflächen, wandelt sie in naturnahes Grünland um und pflegt sie regelmäßig, um den Lebensraum der Wanstschrecke zu vergrößern

Spurensuche in Wildnis und Geschichte 

Auf einzigartige Weise verbindet das Grüne Band Natur, Kultur und Geschichte, wodurch auch ein ideales Urlaubsrevier entsteht. Gefördert vom Bundesamt für Naturschutz und wissenschaftlich begleitet vom BUND wird der ehemalige Grenzstreifen im Projekt „Erlebnis Grünes Band“ für einen die Natur schonenden Tourismus erschlossen. Die drei Modellregionen 1 Elbe-Altmark-Wendland, 2 Harz und 3 Thüringer Wald & Schiefergebirge / Frankenwald bieten Wasserwandern, Radtouren, Geschichtswerkstätten, Zeitzeugenberichte, Naturführungen oder Themenwanderungen. Dank dieses Angebots schätzen auch die Einheimischen das Grüne Band immer mehr, so dass sich die Chancen für eine naturverträgliche Regionalentwicklung verbessern. Das Vorhaben unterstützt damit den langfristigen Erhalt des Grünen Bands als einmaligen Biotopverbund und lebendiges Denkmal. 

Mehr dazu: www.erlebnisgruenesband.de

Das Westöstliche Tor im Eichsfeld 

Die innerdeutsche Grenze verlief mitten durch die historisch gewachsene Landschaft des Eichsfeldes. Gemeinsam mit der Stadt Duderstadt, der Verwaltungsgemeinschaft Lindenberg / Eichsfeld und der Heinz Sielmann Stiftung schuf der BUND hier das „WestÖstliche Tor“: Zwei mächtige Eichenstämme heben sich auf einer BUND-Fläche (?) von der Umgebung ab. Am Boden verbunden durch eine aus zwei Teilen verschweißte Edelstahlschwelle und umstanden von jungen Eichen symbolisieren sie die überwundene deutsche Teilung. Sogar Michail Gorbatschow kam zur Einweihung des Tores.

Wo der Ziegenmelker ruft 

Ausgedehnte Sümpfe, Moorflächen und Feuchtwiesen prägten früher das Steinachtal und die Linder Ebene zwischen Mitwitz, Neustadt und Sonneberg. Wie viele andere Feuchtgebiete wurde die Region im 20. Jahrhundert entwässert und intensiv von der Land- und Teichwirtschaft genutzt. Doch die Lage im Schatten der innerdeutschen Grenze schützte das Tal vor der vollständigen Zerstörung. Der BUND Thüringen erwarb ökologisch wertvolle Brachflächen, Zwergstrauchheiden sowie Au- und Bruchwald, der Bund Naturschutz in Bayern kaufte Wiesen und Teiche – eine Heimat für Heidelerche, Ziegenmelker, Sumpfblutauge und Rundblättrigen Sonnentau. Auch Schafe und Ziegen leisten hier einen Beitrag zum Naturschutz: Sie sorgen dafür, dass die von BUND-Aktiven entbuschten Heiden nicht wieder zuwachsen.

Der Brocken – Symbol der Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands

Mit dem Brocken – mitten im einzigen länderübergreifenden Nationalpark Deutschlands gelegen – besitzt die Modellregion Harz ein einzigartiges Symbol für die Verbindung von Natur, Geschichte und Kultur, die das Grüne Band zu einem besonderen Erlebnis macht. Von Norden ragt der Brocken mit seinen 1.142 m ü.N.N. fast 1.000 Höhenmeter steil aus der norddeutschen Tiefebene hervor. Diese oft nebelumhüllte und sturmumtoste Lage zog schon von alters her die Menschen in ihren Bann, was unter anderem  in Goethes „Faust“ oder Heines „Harzreise“ nachzulesen ist. Die besonderen klimatischen Bedingungen bescheren dem Brocken auch seine einzigartige Flora und Fauna. Direkt an der ehemaligen innerdeutschen Grenze gelegen, war er zu Zeiten der Teilung für die Normalbürger aus West und Ost unzugänglich und wurde so zu einem Symbol der deutschen Teilung. 

Im Harzvorland

Im Schatten des Brockens entstehen zurzeit mehrere Erlebnisrouten entlang des Grünen Bandes. Zwischen den früheren Grenzflüssen Ilse und Oker schlängeln sich eine Naturerlebnisroute für Wanderer sowie eine rund 70 Kilometer lange Fahrradroute durch das flache bis leicht hügelige Gelände des Harzvorlandes. An besonders gekennzeichneten Stellen, zum Beispiel einer Vogelbeobachtungsstation, lässt sich das Grüne Band hier besonders intensiv erleben. Gerade im Harzvorland gibt es bedingt durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung allerdings auch Stellen, an denen das Grüne Band fast zur Gänze verschwunden ist. Um auch an diesen Stellen auf die Thematik aufmerksam zu machen, entstehen im Rahmen eines Wettbewerbs Kunstwerke, die das Grüne Band und die deutsch-deutsche Geschichte thematisieren. 

Der Harzer Grenzweg

Das Grüne Band ist das Hauptelement des Harzer Grenzwegs. Immer entlang der einstigen Grenze, zum größten Teil auf verschwiegenen Grenzpfaden oder dem früheren „Kolonnenweg“, führt er über rund 100 Kilometer vom ehemaligen Grenzturm Rhoden im Norden über den Brocken bis zum Grenzlandmuseum Tettenborn im Süden. Dabei verbindet er die (zeit-)geschichtlichen und kulturellen Besonderheiten des Mittelgebirges mit den schützenswerten Biotopen, deren Pflege und Erhalt in einigen Bereichen ebenfalls zentraler Bestandteil des Projektes „Erlebnis Grünes Band“ ist. 

Entlang historischer Grenzen

Der Harz blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Bedingt durch seinen Reichtum an Bodenschätzen war er unter den Herrschenden schon immer begehrt. Somit sind im Gebirge neben der deutsch-deutschen Grenze Spuren vieler verschiedener Grenzen aus alten Tagen zu finden. 

Das „TorfHaus“ im Nationalpark Harz

Mitten im Nationalpark findet man im Altenauer Ortsteil Torfhaus in über 800 m Meereshöhe das neue Nationalpark-Besucherzentrum. Mit einer Ausstellung und Multimedia-Angeboten vermittelt das „TorfHaus“ die Kernphilosophie des Nationalparks „Natur Natur sein lassen“, um den Blick der Besucher für die Schönheit und Ökologie der Harzer Naturschätze zu öffnen. 

BUND / Otterzentrum

Thüringer Wald, Schiefergebirge, Frankenwald 

Die südlichste Modellregion befindet sich in den Naturparken Thüringer Wald, Thüringer Schiefergebirge / Obere Saale und Frankenwald zwischen Mödlareuth im Osten und Mitwitz im Westen. Organisationen aus Thüringen und Franken verwirklichen in enger Kooperation das länderübergreifende Projekt „Erlebnis Grünes Band“ in dieser abwechslungsreichen Mittelgebirgslandschaft. In der waldreichen Region ist die landwirtschaftliche Nutzung aufgrund der naturräumlichen Ausstattung meist extensiv. Das Grüne Band ist daher nur in wenigen Bereichen durch eine Intensivierung der Grünlandnutzung bedroht. Allerdings verdrängen aufkommende Birken und Fichten die wertvollen Offenlandlebensräume wie Berg- und Feuchtwiesen sowie Zwergstrauchheiden, in denen beispielsweise  die Heidelerche lebt. Dadurch wird auch die Wahrnehmbarkeit des Grünen Bandes stark eingeschränkt. Ziel des Projektes ist es, durch eine enge Zusammenarbeit von Einrichtungen des Naturschutzes mit Partnern aus dem Tourismus den Schutz, die Entwicklung und das Erleben des Grünen Bandes nachhaltig zu gewährleisten.

Elbe-Altmark-Wendland – Grenzerfahrungen im Vierländereck

Von der Elbtalaue im Norden bis nach Salzwedel im Süden erstreckt sich die Modellregion Elbe-Altmark-Wendland im Vierländereck. Der Besucher wird eingeladen, das Grüne Band als „blaues Wunder“ zu erleben, denn der ehemalige Grenzfluss, die Elbe, prägt die Landschaft. Hier am großen Strom lebt der Weißstorch in großer Zahl und seltene Arten wie Seeadler, Schwarzstorch und Fischotter besiedeln Flussufer, Feuchtwiesen und Reste von Auenwäldern. Auch im Winterhalbjahr ist die Elbtalaue voller Leben. Dann sind Kraniche, nordische Gänse und Schwäne zu Gast und können in ihrem Rast- und Überwinterungsgebiet beobachtet werden. 

Die südliche Grenze der Modellregion bildet die Hansestadt Salzwedel. Direkt vor den Toren der Stadt kann der Besucher eine einzigartige Natur erleben: Der Salzwedeler Stadtforst ist einer der größten Erlenbruchwälder Deutschlands und beherbergt viele seltene Arten. Über einen Bohlensteg ist ein Abschnitt dieses urtümlichen Waldes erschlossen. In der angrenzenden Landgraben-Dumme-Niederung mit ihrem Mosaik aus naturnahen Fließgewässern, artenreichen Feuchtwiesen und Feuchtlaubwäldern engagiert sich der BUND seit vielen Jahren mit Flächenkäufen für den Erhalt dieses einzigartigen Naturraums am Grünen Band. Ganz andere Lebensräume prägen das Grüne Band nördlich vom Arendsee: Hier finden sich Heide- und Trockenrasenflächen sowie offene Binnendünen. Dies ist der Lebensraum wärmeliebender Insektenarten wie der Blauflügeligen Ödlandschrecke oder dem Ziegenmelker, einer seltenen Nachtschwalbenart.

Naturschutz am Grünen Band

Die Renaturierung der Kusebruchswiesen nördlich von Salzwedel ist eine wichtige Maßnahme. Es entstehen neue Flachwasserbereiche und Feuchtgrünland auf ehemals entwässerten Flächen, damit sich Amphibien, Wasservögel und andere Arten in ihrem neuen Lebensraum ungestört entwickeln können.

Grenzerfahrungspunkte am Vier-Länder-Grenzradweg

Entlang des ehemaligen Todesstreifens  sind „Grenzerfahrungspunkte“ am Grünen Band ausgeschildert, weisen beispielsweise auf Grenztürme oder geschleifte Ortschaften – „Wüstungen“ hin. 

 

Gastbeitrag BUND

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