Spiegel- Chefredakteur Dirk Kurbjuweit wünscht seinen Lesern zwei Tage vor den US-Wahlen einen erholsamen Sonntag. Zuvor beschrieb er den aktuellen Wochentitel „Es geht um alles“ des SPIEGEL als Untergangsszenario. „Sollte Trump in der kommenden Woche gewinnen, wird die Welt eine andere sein“, schrieb Kurbjuweit. Ein erholsamer Sonntag? War der Alarmismus vom so oft vorausgesagten Untergang der US-amerikanischen Demokratie nicht ernst gemeint oder ist es schon Zynismus?
Bereits im Januar 2023 erlebten wir Journalisten vom Medienmagazin NITRO in Kalifornien die Vorboten des Wahlkampfes oder besser den Treibstoff dazu. Zeltstädte mit Obdachlosen in Los Angeles und Drogenabhängige, die sich im Zentrum von San Francisco oder auf Kirchenstufen der Glide Memorial Church in aller Öffentlichkeit harte Drogen spritzten. Als wir die Szenerie an der Ecke Taylor und Ellis street fotografierten, bleibt eine Passantin stehen und sagt: „Es ist traurig, wo wir hingekommen sind. Hier stellen die Drogenkartelle die Regierung. Mit Trump hätte das ein Ende gefunden.“ Auf die Gegenfrage, wie er das wohl gemacht hätte, kam die Antwort: „Keine Ahnung“ War es eine Kombination aus Wunschdenken und Nihilismus?
In Kalifornien wird das Leben für viele Menschen unbezahlbar
Weiter südlich in San Diego. Die Universitätsstadt am Pazifik, berühmt für seine Surfer-Strände, wird seit Ende 2020 vom Bürgermeister der Demokraten, Todd Gloria, regiert. Er hatte einen Vorgänger aus der Partei der Republikaner beerbt. San Diego ist Grenzstadt zu Mexiko. Tijuana, die Stadt hinter Grenze ist der Rangliste einer mexikanischen Nichtregierungsorganisation „Seguridad, Justicia y Paz“ (NGO) zufolge außerhalb von Kriegsgebieten die Stadt mit der höchsten Tötungsrate weltweit. Ein Spaziergang zum Abendessen oder einem Konzert in den zahlreichen Musikhallen von Tijuana, wie er in den 1990er möglich war, kann heute tödlich enden.
Seit 2023 trommeln die Trump-Anhänger für ihr Idol
Auf der Strandpromenade von San Diego trommelten Trump-Anhänger schon Anfang 2023 zur Wiederwahl ihres Idols. Martialisch wirken die in der Meeresbrise flatternden Fahnen, auf denen Symbole aus Sturmgewehren, Totenschädeln und Sprüchen wie „By God, Guns, Guts and Glory“ und „Trump 2024 – Fuck your Feeling“ oder „2nd Amendment 1789 – Amerika’s original Homeland security“ zu lesen sind. Irgendwie passen die vorgezogenen Wahlkampfzelte nicht in die Beach Boys Romantic von San Diego alá „Surfin‘ USA“.
Fußgänger und Radfahrer werfen einen erstaunten Blick auf das Spektakel. Gegenüber verkauft ein Paar indianischen Schmuck. Als wir sie fragen, ob schon viele an den Trump-Zelten angehalten hätten, verneinen sie. „Es gab seit Stunden keine Gespräche, aber für uns sind sie geschäftsschädigend. Weil hier niemand verweilen will, haben auch wir keine Kunden.“, sagen sie
Auch in Deutschland tiefe Gräben zwischen den politischen Lagern
Wir fragen uns, wie soll das hier erst im Wahljahr 2024 aussehen? Zwischenzeitlich reißen auch in Deutschland die Gräben zwischen politischen Lagern immer mehr auf. Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sind gelaufen und kurz vor der Brandenburg-Wahl wird das Verbot des Elsässer-Magazins „Compact“ durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser zum Desaster.
Der Verleger aus Pforzheim siedelte sich im Speckgürtel von Berlin an, wo es wenig mediale Durchdringung gibt. In den Kleinstädten und Dörfern kommt es zu massiven Schäden an Wahlplakaten. Hitlerbärte auf Plakaten, Unterstellungen von Kriegstreiberei bis Naziverdacht. Bei dieser sprachlichen Umkehr hätten sich George Orwell und Sebastian Haffner die Augen gerieben. Russlandfahnen und „Ami go home“-Banner hatten Konjunktur. Fremdenfeindliche Inschriften im öffentlichen Raum ebenso. Unter diesen Eindrücken traten wir unsere Reise in den Swing State Arizona an.
Im Superwahljahr 2024 geht es um die Präsidentschaft, den Senat und lokale Wahlämter wie Supervisor oder Sheriffs. Die Parteinahme im öffentlichen Raum war zwei Monate vor der Wahl groß. Bekenntnisse zu Trump oder Harris in vielen Vorgärten der Millionenstadt Tucson. Bumper-Sticker auf Autos waren seltener als vor vier Jahren, aber die Wähler verbergen ihre Vorlieben und auch ihre Motive selten.
2020 lag Joe Biden in Arizona mit weniger als 0,5 Prozent der Stimmen vor Trump. Der Demokrat Mark Sally als Kandidat für den Senat lag immerhin 2,3 Prozent vor seinem republikanischen Herausforderer.
In Arizona ist das Leben nicht so teuer wie in Kalifornien und die Menschen sind meist optimistisch
Die Inflation schoss nach dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs in der Ukraine in den USA mit acht Prozent mehr in die Höhe als in Europa; in Deutschland lag die Inflationsrate bei 6,9 Prozent. Was sollte uns erwarten?
Angekommen in der Universitätsstadt Tucson nahmen wir Quartier in einem Airbnb nahe der Landwirtschaftlichen Fakultät am Rialto Flussbett. Zum Frühstück gingen wir in eine kleine Bakery und erlebten den Preisschock der Teuerungsrate für zwei belegte Brötchen, einen Tee und einen Kaffee in Form einer 30-Dollar-Rechnung. Das kleine Café war sehr gut besucht. Studenten arbeiteten hier im schnellen W-Lan und Plätze waren knapp, aber es ist in den USA kein Problem, sich an einen Tisch zu setzen, wo bereits andere Gäste sitzen. Eine junge Frau, die an ihrer Berufskleidung mit Namensschild zu einer medizinischen Einrichtung in der Nähe identifizierbar war, freute sich, nicht mehr allein am Tisch zu sein. „Are you visiting? From Europe?“, sagte sie zur Begrüßung. In Kurzfassung erfuhren wir viel über sie und, dass sie ein Studium erst einmal hintenangestellt hatte, weil das Leben zu teuer geworden ist. Sie sei aber optimistisch.
Ein paar Tage später lernen wir eine Nachbarin in der Wohnsiedlung kennen. Sie war nach Corona aus Kalifornien hierher umgezogen. Für eine Wohnung hatte sie in Tucson etwas über 200.000 $ gezahlt. In Kalifornien hätte sie für eine nicht einmal gleichwertige ein Million Dollar aufbringen müssen. Arbeit gäbe es hier und sie hoffte, dass die Inflation zurückgehen wird.
Joe Biden gab Kandidatur auf, Harris übernahm
Am 13. Juli als Donald Trump in der Nähe von Butler im US-Bundesstaat Pennsylvania bei einem Attentatsversuch verletzt wurde, wollten wir die Reisepläne bereits aufgeben.
Der aufkommende Märtyrerstatus erschien so massiv, als könnte Trump niemand mehr den Wahlsieg streitig machen. Wie schnelllebig unsere Zeit ist, sollten wir erfahren, als Joe Biden seine Kandidatur aufgab und Kamala Harris übernahm. Die Umfragen drehten sich fast über Nacht auf nahezu Gleichstand und das TV-Duell zwischen Trump und Harris fiel genau in unsere Reisezeit.
Wir saßen am Abend des TV-Duells Harris-Trump im Wohnzimmer von Familie Kramer in Oro Valley, einer schnell wachsenden Kleinstadt mit 47.000 Einwohnern im gut situierten Pima County nördlich von Tucson. Hier lag Joe Biden 2020 deutlich vor Trump.
Es hatte etwas von einem dejá vu. Im selben Wohnzimmer schauten wir vor sechs Jahren die Anhörung von Hillary Clinton zur E-Mail-Affäre auf dem öffentlich-rechtlichen Kanal PBS. Am Ende ging es nicht gut aus für die Clintons.
Erstes TV-Duell Harris – Trump am 11. September 2024
50 Millionen TV-Zuschauer weltweit warteten am 11. September um 21.00 Uhr Ortszeit auf den Live-Stream von ABC News aus Philadelphia. Harris und Trump waren sich vorher noch nie begegnet. Mit einem Handschlag ging Harris auf Trump zu. Der reagierte überrascht. Dann nahmen sich beide nichts. Schlag auf Schlag gingen sie einander an. Trump blieb sich treu. Unter Harris würde es Abtreibungen im neunten Monat geben, sie als Vize würde auch noch Neugeborene töten lassen und die Haitianer in Springfield essen die Katzen und Hunde der Einheimischen. Die Fakes von Trumps waren so überdimensional, dass die Falschaussagen von Harris kaum ins Gewicht fielen. Es stimmte nicht, dass sie behauptete, die Arbeitslosigkeit unter Trump sei die größte aller Zeiten gewesen sei. Zu nah ist noch die Erinnerung an die Pandemie, als sie deutlich höher war und von der großen Depression ganz zu schweigen. Insgesamt waren viele von der Schlagfertigkeit und Souveränität der Kandidatin Harris beeindruckt. So auch die TV-Moderatorin Rachel Maddow von MSNBC, die im Nachgang des Duells in einer Talkrunde genüsslich die Reaktion von Taylor Swift verkündete, die ihren instagram-Post mit kinderlose Katzenfrau unterschreibt.
Am nächsten Tag wurde der Hit von The Kiffness – Eating the Cats ft. Donald Trump (Debate Remix) geboren, der inzwischen mehr als 12 Millionen Aufrufe auf Youtube hatte. Ob und wie das die Wahl beeinflussen wird, bleibt Stoff für die Zukunft.
Mit Cindy Kramer, unserer Gastgeberin, sprechen wir über das Duell und wie es zur heutigen Situation kommen konnte. „Politik muss dort wirken, wo die Menschen leben.“, sagte die pensionierte Lehrerin, die heute noch Geflüchtete unterrichtet. „Es hängt alles von der Lokalpolitik ab. Die haben die Demokraten zu lange vernachlässigt.“, fügt sie hinzu.
Anstehen bei 40 Grad ohne Schatten, um Trump zu sehen
Zwei Tage nach dem TV-Duell stand fest, Trump wird nach Tucson kommen. Der Arizona Daily Star titelte am 13. September „Trump stumps in Tucson, won’t debate in Harris again“.
Am Vortag standen die überzeugten Trump-Wähler bereits um 9.00 Uhr um den ganzen Block an der Linda Ronstadt Music Hall und dem Parkhaus des Convention Centers an, um gute Plätze beim Wahlkampf-Auftritt von Trump zu bekommen. Bei fast 40 Grad und ohne Schatten harrten sie aus. Viele waren von weit angereist. Die Trump-Show sollte um 14.00 Uhr beginnen. Info-Stände und Merchandising waren an der Südseite der Music Hall aufgebaut. Es waren verschiedene Zugangswege eingerichtet, in welche die angemeldeten Gäste sich von den Ordnern einreihen ließen.
Olivia Krupp hatte schon zwei Dutzend Wartende interviewt, als wir sie an der Westseite des Parkhauses treffen. Die Absolventin der School of Journalism an der Universty of Arizona arbeitete an einer Langzeitreportage zur Präsidentschaftswahl und wollte in die Seele der Trump-Wähler schauen. Gerade ist eine Spendensammlerin mit einer Ansprache fertig als Olivia den nächsten Wähler anspricht. Zeit für Gespräche mit uns hat sie jetzt nicht, weil sie so viele wie möglich interviewen möchte. Wir verabreden uns in der Folgewoche auf dem Campus der UOA – University of Arizona, den wir selbst von einem Studienaufenthalt in den 1990er Jahren kennen. Sie erklärt uns kurz, wie sie einen Fragenkatalog entwickelt hat, um möglichst viele Aussagen vergleichen zu können. Am nächsten Wochenende flog sie zur Kampagne in Kalifornien. Schon im September zeichnete sich ein Bild ab; besonders bei jüngeren Männern.
Ihre erste Frage lautete immer: Warum willst Du Donald Trump wählen? Die Antwort lautete oft: Ich weiß es nicht. Auf eine Nachfrage kam dann eine Aussage wie: I like him.
Nach einem Porträt über Lukas Pakter Hass und Hetze im Netz
Es ist ein Mangel an positiven roll models. So schätzte es Olivia ein. Trumps Art gegenüber Frauen, sich als self-made Milliardär darzustellen, betrachten sie als anziehend. Er würde Klartext sprechen. Dann ist da noch TikTok und die anderen Social Media Kanäle. Dort holt er sie ab, wo andere politische Aktivisten nicht mehr zu den jungen Menschen durchdringen. Olivia Krupp weiß genau, wovon sie spricht, wenn es um die Macht von Hetze und Hass im Netz geht.
Sie hatte ein Porträt über Lukas Pakter, einen ehemaligen Präsidenten der Studentenverbindung der University of Arizona (UOA) geschrieben, der auf TikTok mehr als 415.000 Follower hat. Er postet über seine Workouts, Ratschläge zur Vereinbarkeit von Party und Schule und zum Umgang mit Beziehungen. Er beantwortet vor allem Fragen junger Männer zu Themen wie Dating und beruflichem Networking.
Olivia Krupp veröffentlichte den Artikel über Pakter in der Online-Version des Daily Wildcat in der Rubrik „Meinung“. Sie kritisierte Pakter und seine Fans und verglich ihn mit Andrew Tate, einem Influencer, dessen frauenfeindliche Beiträge ihn von YouTube und TikTok verbannt hatten. Sie fragte, ob er ein gutes Vorbild für seine Tausenden von Followern sei.
Es folgte eine Welle von Hass aus Telefon- und Online-Terror mit Morddrohungen und Schmähungen, die von Paktors Followern ausgingen. Eine Lawine von frauenfeindlichen Beleidigungen ergoss sich im Netz; einschließlich Fantasien, wie sie in einer Reihe vor einem Erschießungskommando stünde. Ihr Fall erlangte landesweite Aufmerksamkeit selbst in der Washington Post, die eine Diskussion anstieß, wie junge Menschen den Beruf der Journalistin wählen sollten, wenn solche Erfahrungen drohten. In Deutschland griff der SPIEGEL den Fall auf.
Mit Krupp sprachen wir auch über andere Phänomene am Tag von Trumps Auftritt in Tucson. Aktivisten unter dem Slogan „Latinos for Trump“ oder „Black women for Trump“ hatten Stände vor der Halle aufgebaut. Wir waren mit ihnen auch ins Gespräch gekommen. Ihre Erklärungen waren selten logisch, boten aber Einblicke, warum sie so denken und handeln. Die afroamerikanischen Frauen vor Ort begründeten ihre Begeisterung für Trump mit seiner Religiosität. Auf ihrer Fahne stand „Jesus ist mein Retter – Trump ist mein Präsident“. Einwände, dass sich Trump frauenfeindlich und rassistisch äußere, ließen sie nicht gelten. Eine ganze Reihe von jungen Männern, die sich auf T-Shirts offen als „Latinos for Trump“ bekannten, äußerten ebenso offen ihre Angst, dass eine massenhafte Immigration aus Zentralamerika ihre seit meist mehreren Generationen erlangte Assimilation in der US-Gesellschaft gefährde.
Harris hätte doch von Biden die Aufgabe übernommen, die illegale Immigration zu begrenzen. Das hätte sie nicht annähernd in den Griff bekommen. So sehen sie bei Trump die Lösung.
Auf der anderen Straßenseite standen ein paar Gegendemonstranten. Als sich Trump-Unterstützer ihnen näherten, vermuteten wir jetzt doch noch Handgreiflichkeiten. Am Ende ein paar Wortgefechte. Das wars.
In der Music Hall trat ein durch das TV-Duell etwas geschwächt wirkender Donald Trump mit den immer wiederkehrenden Narrativen auf, dass er die größte Remigrationswelle starten würde und wiederholt mehrmals die Geschichte von den Haitianern, die in Springfield, Ohio, die Katzen und Hunde der Einwohner essen würden.
Der Sender PBS stellt das Event auf youtube und Südstaaten-Rocklegende Linda Ronstadt veröffentlicht auf Instagram einen emotionalen Post:
„Donald Trump hält am Donnerstag eine Kundgebung in einer gemieteten Halle in meiner Heimatstadt Tucson ab. Diese traurige Tatsache würde ich lieber ignorieren. Da aber mein Name auf dem Gebäude steht, muss ich etwas sagen.
Es macht mich traurig zu sehen, wie der ehemalige Präsident seine Hass-Show nach Tucson bringt, einer Stadt mit tiefen mexikanisch-amerikanischen Wurzeln und einem freudigen, toleranten Umfeld.
Ich bedauern nicht nur seine giftige Politik, seinen Hass auf Frauen, Einwanderer und Farbige, seine Kriminalität, Unehrlichkeit und Ignoranz – obwohl es das gibt.
Für mich kommt es darauf an folgendes zu sagen: In Nogales und über die Südgrenze hinweg hat die Trump-Administration systematisch Migrantenfamilien auseinandergerissen, die Asyl suchen. Familientrennung machte Waisen aus Tausenden von kleinen Kindern und Babys und ihre Eltern zu verzweifelten Müttern und Vätern. Es bleibt eine humanitäre Katastrophe, die laut Ärzte ohne Grenzen die Kriterien für Folter erfüllt haben.
Es gibt kein Vergeben oder Vergessen des Herzschmerzes, den er verursacht hat.
Trump kandidierte zuerst für den Präsidenten und warnte vor Vergewaltigern, die aus Mexiko kommen. Ich mache mir Sorgen, den Vergewaltiger aus dem Weißen Haus fernzuhalten.
Linda Ronstadt
P.S. an J.D. Vance:
Ich habe zwei Adoptivkinder in Tucson als alleinerziehende Mutter großgezogen. Beide sind hier aufgewachsen und leben in ihren eigenen Häusern. Ich lebe mit einer Katze zusammen. Bin ich eine halbe kinderlose Katzendame, weil ich unverheiratet bin und meine Kinder nicht geboren habe? Nennt mich wie ihr wollt, aber diese Katzendame wird im November stolz für @kamalaharris und @timwalz abstimmen.“
Demokraten mobilisieren für Senatoren-Kandidatin Kristin Engel
Das Kontrastprogramm zur Trump-Show gab es am darauffolgenden Sonntag in einem Kino in downtown Tucson. Der langjährige Karikaturist der Tageszeitung Arizona Daily Star, David Fitzsimmons, lud die Unterstützer der demokratischen Senats-Kandidatin, Kristin Engel, zu einer Wahlveranstaltung ein. Fitzsimmons, für viele Menschen und auch für uns ein alter Bekannter, ist ein legendärer, international bekannter Karikaturist und Meinungsautor aus Tucson. Bis zu seiner Pensionierung im vergangenen Jahr war er fast 40 Jahre lang von den Seiten des Arizona Daily Star nicht wegzudenken. Fitzsimmons ist aber auch nach seiner Pensionierung als Cartonist aktiv. Wenige Tag vor der von vielen US-Amerikanern als Schicksalswahl bezeichneten Präsidentschaftswahl verglich er den D-Day von 1944 mit dem E-Day in 2024. Karikaturisten neigen zum Überspitzen. Angesichts der Tatsache, dass die Wahlbehörde in Arizonas Haupstadt Phoenix für den Wahltag mit Scharfschützen, Drohnen und Deepfake-Detektiven beschützt wird, ist der Vergleich irgendwie furchteinflößend.
Fitzsimmons moderierte auch die Veranstaltung am 15. September mit viel Humor und sprach über die Lebensläufe der Unterstützer und Aktivisten.
Sylvia Gonzalez Andersh ist eine Veteranin der US Army. Ihre Familie immigrierte aus Mexiko. Sie und ihre vier Geschwister fanden Ausbildung und Arbeit beim Militär. Sie berichtete, was sie heute mit Ihrer Arbeit im Ehrenamt zurückgeben möchte.
Miranda Lopez studiert an der UOA und ist Jungwähler-Aktivistin, Jen Allen ist Kandidatin für das Amt der Pima County Board of Supervisors. Deja Foxx kämpft für das Recht auf Selbstbestimmung für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen. Emotional spricht sie über die verzweifelte Lage von Frauen, die wohnungslos geworden sind und keine Aussicht auf Hilfe haben.
Adelita Grijalva, die Vorsitzende des Aufsichtsrates von Pima County, wirbt für Kristin Engel genauso wie der ehemalige Kongressabgeordnete Ron Barber.
Gabriella Cazares-Kelly, die Archivarin des Pima County und die Vorsitzende der Demokratischen Partei in Arizona Yoland Bejarano bringen sich bei der Wahlveranstaltung ein, bevor sich die Senats-Kandidatin, Kirsten Engel, eine Umweltjuristin und Professorin der UOA ihren Unterstützern vorstellt.
Als wir längst wieder in Berlin sind, geben sich weitere namhafte Unterstützer von Kamala Harris in Tucson die Klinke in die Hand. Barack Obama trat am 18. Oktober auf dem Campus der Universität auf. Einen Tag später appellierte Jane Fonda an die Verantwortung der Wähler für den Kampf gegen den Klimawandel, der nur mit Kamala Harris zu führen ginge.
Gabrielle „Gabby“ Giffort, die 2011 einen Mordanschlag mit einer Schusswaffe überlebte spricht
Ein ganz besonderer Höhepunkt im Wahlkampf in Tucson war der Auftritt der ehemaligen demokratischen Kongress-Abgeordneten Gabrielle „Gabby“ Giffort, die gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Politiker und ehemaligen Astronauten, Mark Edward Kelly, im Memorial im Visitor-Center auftrat. Beide kämpfen dafür, dass Kamala Harris die Wahl zur Präsidentin gewinnt. Gabby Giffort, die am 8. Januar 2011 vor einem Supermarkt in Tucson, von dem 22-jährige Jared Lee Loughner, aus nächster Nähe in den Kopf geschossen wurde, überlebte das Attentat mit lebensgefährlichen Verletzungen. Sechs Menschen starben, 13 weitere Menschen wurden verletzt. Helga Russel, eine Anwohnerin, die bei dem Attentat auf Gabby Giffort in der Nähe des Supermarktes war, erinnert sich noch heute an dieses schreckliche Ereignis. „Ich war geschockt, dass so etwas in meinem Wohngebiet passieren konnte. Heute stehen wir wieder vor der Wahl, ob ein Unterstützer der Waffenlobby wie Trump wieder Präsident werden sollte. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass das erneut passiert, aber ich bin auch sehr erschöpft nach diesem anstrengenden Wahlkampf“.
Gabby Giffort, die bei den Kongresswahlen 2006, 2008 und 2010 für den achten Distrikt von Arizona ins US-Repräsentantenhaus gewählt wurde, setzt, sich seit vielen Jahren für schärfere Waffengesetze ein. Sie rief zwei Jahre nach dem Attentat eine Kampagne für schärfere Waffengesetze ins Leben, konkret für das Verbot, Waffen an Kriminelle zu verkaufen. Auf der Wahlkampfveranstaltung in Tucson wirkt sie kämpferisch, dass Kamala Harris die Wahl zur Präsidentin gewinnen kann.
Texte und Fotos von Bettina Schellong-Lammel und Bernd Lammel
Trump oder Harris – wie wählt Arizona?
Bernd Lammel
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