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Fotografie
Künstliche Intelligenz in der Rechtsprechung
Foto: Dominik Butzmann
FOTOGRAFIE authentisch oder generiert?

Künstliche Intelligenz in der Rechtsprechung 

KI verändert die Welt in atemberaubendem Tempo. Und ständig kommen neue KI-Modelle auf den Markt. Während die Bilder immer besser werden und erste täuschend echt aussehende Videos zu ­sehen sind, steigt bei neuen Text-KI-Modellen die Halluzinationsrate. In der juristischen Fachwelt wird von ­ersten Haftungsfällen berichtet. Der Presserat hat bereits einige Rügen ausgesprochen (siehe Infokasten).  Gesetzgeber und Gerichte hinken hinterher – genau wie es bei der Einführung des Internets und bei Social Media der Fall war. Doch es gibt einige erste Entscheidungen. Ein Überblick. 

Von Tobias Sommer

Im Zuge der rasanten Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) sehen wir uns mit einer Vielzahl von Rechtsfragen konfrontiert, die unter anderem das Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht, Vertragsrecht und Datenschutzrecht betreffen. Unternehmen, die KI-Technologien entwickeln, einsetzen oder sonst verwenden, stehen in der Verantwortung, sicherzustellen, dass sie die geltenden Gesetze und Vorschriften einhalten. Der Klärungsbedarf, der Regelungs-, Handlungs- und Gestaltungsbedarf ist hoch – sei es im Vertragsrecht, aber auch in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder im Urheberrecht. Urheber sollten ihr geistiges Eigentum mit allen Mitteln schützen! Sie können zum Beispiel untersagen, dass KI-Modelle mit ihren Daten und Informationen trainiert werden. Verbände sollten überlegen, wie sie ihr Klientel vor unliebsamen Auswirkungen der KI schützen können. Es geht unter anderem um folgende Themen:

  1. Urheberrecht

Falls Sie der Meinung sind, dass Ihre geistigen Eigentumsrechte durch den Einsatz von KI verletzt wurden, sei es durch unerlaubte Nutzung von Software oder Algorithmen, dem Training der KI, dem Prompten mit Bildern, Texten, Filmen, Schlagwortsammlungen oder sonstigen urheberrechtlich geschützten Werken bis hin zu Datenbanken, könnten Sie als Kläger agieren. In der Fachliteratur wird derzeit Text- und Data-Mining nach § 44b UrhG als mögliche Ausnahme diskutiert. Handlungsempfehlung: Aus meiner Sicht sollten sofort Sperrerklärungen abgegeben und Auskünfte gefordert werden. Fälle, bei denen das Ergebnis der KI nur unter Nutzung der jeweiligen Inhalte trainiert worden sein kann, sollten unverzüglich gerichtlich durchgesetzt werden.

Inzwischen hat das Landgericht Hamburg zum Text- und Data-Mining nach dem UrhG entschieden, dass die Nutzung von Bildmaterial für KI-Training durch LAION e.V. rechtmäßig war, Az.: 310 O 227/23. Die Entscheidung des LG Hamburg wird in der Berufung überprüft.

  1. Persönlichkeitsrecht

Wenn KI-Systeme in einer Weise eingesetzt werden, die Ihre persönlichen Daten ohne angemessene Zustimmung verarbeiten oder Ihre Privatsphäre beeinträchtigen, könnte dies eine Verletzung Ihres Persönlichkeitsrechts darstellen. Anerkannt ist beispielsweise das „Recht an der eigenen Stimme“. Eine KI, die Ergebnisse „im Stil“ von XYZ liefert oder liefern soll, gehört auf den Prüfstand!

  1. Vertragsrecht

Falls Verträge in Bezug auf KI-Technologien verletzt wurden, sei es durch Nichterfüllung von Verpflichtungen oder Verletzung vertraglicher Vereinbarungen, könnten Sie als Kläger Schadensersatzansprüche geltend machen. Bestehende Verträge, bei denen die neuen Möglichkeiten im Vertragsverhältnis genutzt werden, sollten dringend geprüft und mittels einer Zusatzvereinbarung ergänzt werden. Zu fragen ist unter anderem: Gibt es höchstpersönliche Pflichten im Vertrag? Gibt es einen Pflichtenkatalog? Sind die Kosten geklärt? Sind die Risiken angemessen verteilt? Ist die Haftung geregelt?
Oder soll KI sogar bei der Vertragserfüllung genutzt werden? Zu all diesen Fragen sind eigene Regelungen sinnvoll. Auch in Lizenzverträgen dürfte ein eigener Passus zu KI künftig eine wichtige Rolle spielen.

  1. Datenschutzrecht

Im Falle von Datenschutzverletzungen durch den Einsatz von KI-Systemen, insbesondere wenn die zahlreichen Pflichten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) oder des BDSG nicht eingehalten werden, könnten unter anderem Klagen wegen Verstößen gegen das Datenschutzrecht in Betracht gezogen werden. Zunächst ist hier die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen sinnvoll.

  1. Arbeitsrecht
    (Beschluss des Arbeitsgerichts
    zur Mitbestimmung bei KI)

Nach einem Beschluss des ArbG Hamburgs vom 16. Januar, Az. 24 BVGa 1/24, soll der Betriebsrat in dem dortigen Einzelfall nicht über den Einsatz von KI im Konzern mitbestimmen dürfen. Der Konzern hatte Richtlinien zum Umgang mit KI erlassen. Der Betriebsrat wollte mitbestimmen. Er hatte unter anderem verlangt, dass eine KI-Rahmenvereinbarung geschlossen werde.

Das Arbeitsgericht meinte, die Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Werkzeuge würden in diesem Fall nicht „unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten“ fallen. Es weist darauf hin, dass Browser die Nutzung regelmäßig aufzeichnen. Hierzu gebe es aber bereits eine Konzernbetriebsvereinbarung. Die Folge: Der Betriebsrat habe sein Mitbestimmungsrecht bereits ausgeübt.

Das Urteil ist schon aufgrund seines differenzierten Sachverhalts kaum auf Dritte übertragbar, ist jedoch als Fingerzeig für künftige Maßnahmen zu verstehen. Es darf nicht fehlinterpretiert werden.

  1. Entscheidung zu Kanzler-Deep­fakes mittels KI des LG Berlin

Deepfakes unter Einsatz von KI-Technologien sind bereits an der Tagesordnung. Selbst das Bundeskriminalamt warnt. Eine erste Entscheidung des LG Berlin soll bereits vorliegen. Es geht um eine täuschend echte, aber mittels KI generierte Aussage des Es-Bundeskanzlers Olaf Scholz zu einem AfD-Verbot, die das Zentrum für Politische Schönheit im November 2023 verbreitet hatte. Rechtsmittel sind angekündigt.

  1. Die KI-VO (AI Act) ist in Kraft

Hochrisiko-KI, Transparenzpflichten und viele neue Zuständigkeiten. Das sind nur einige Themen, die die KI-VO regelt. Vieles regelt sie allerdings auch nicht. Es gibt Übergangsfristen, unter anderem für Transparenzpflichten ab dem 2.8.2025 und dem 2.8.2026, und viele neue Zuständigkeiten, unter anderem ein KI-Büro der EU und einen EU-Beirat. Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) führt dazu aus (https://www.bfdi.bund.de/DE/Fachthemen/Inhalte/Technik/KI-Verordnung.html):

„Insgesamt sind die Aufsichtsstrukturen für KI sehr komplex. Insbesondere in Deutschland führt das föderale System zu einer besonders hohen Anzahl an Behörden, die in die KI-Aufsicht involviert sein werden. Damit es für Interessenträger dennoch nur einen zentralen Kontaktpunkt bei Anliegen im Kontext der KI-VO gibt, soll jeder Mitgliedstaat einen sogenannten Single-Point-of-Contact benennen. Dieser ist für Bürgerinnen und Bürger besonders relevant im Hinblick auf das Recht auf Einreichung einer Beschwerde …“

  1. Presserat 

Auch der Presserat hat bereits einige Entscheidungen zur Künstlichen Intelligenz gefällt, unter anderem war in einem Fall die Fotoverfremdung mit KI nicht klar genug offengelegt. Ein mittels KI erfundenes Interview stellte eine Lesertäuschung dar. Klargestellt wurde auch: Die Verwendung von Künstlicher Intelligenz muss gekennzeichnet werden. Entschieden wurde auch der Fall, wenn KI-generierte Texte mit echt klingendem Verfassernamen und Porträtbild versehen sind (siehe Infokasten).

Den ganzen Beitrag lesen Sie in der Ausgabe 2-25

Rechtsanwalt Tobias Sommer LL.M. ist seit 2003 als Anwalt im Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkt im Bereich des Immaterialgüterrechts tätig. Er hat an Fachkommentaren mitgearbeitet, zahlreiche Fachtexte veröffentlicht und hat praktische Erfahrungen als Journalist in den Bereichen Print und Fernsehen, unter anderem war er der 10. Chefredakteur des Anwaltsmagazins „AdVoice“. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit ist er als Dozent zu Themen wie Presserecht, Urheberrecht, Vertragsrecht, KI und Recht tätig, unter anderem an der Berliner Journalistenschule und für den DJV. 

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