Klaus Selmke (*21.4.1950 – †22.5.2020) starb einen Monat nach seinem 70. Geburtstag in Berlin.
Ein Nachruf von Jörg Stempel
Meist ist der Sänger der bekannteste Musiker einer Band und darf sich Frontmann nennen.
Schlagzeuger sitzen zwar oft erhöht, damit man ihr virtuoses und vor allem kraftvolles Spiel beobachten kann, aber für die Fans vor der Bühne sind sie in der Regel „nur“ Bandmitglieder. Klaus Selmke beim Trommeln saß fast immer auf dem Bühnenboden.
Dabei halten sie – salopp gesagt – den Laden zusammen, bestimmen lautstark die Marschrichtung und beweisen nicht zuletzt bei ihren Soli, dass ein Rockkonzert eine 5 kg-Gewichtsabnahme in 2-3 Stunden garantiert.
Krahl nennt Klaus Selmke „General“
In seinen Konzert-Moderationen bezeichnet City-Sänger Toni Krahl deshalb seit Jahren „ihren Rhythmusgeber“ als „Anerkanntes und zertifiziertes Kulturerbe der UNESCO – am Schlagzeug General Klaus Selmke“.
Hier schwingt vor allem die Anerkennung für den Mann mit dem umfangreichsten Instrumentarium auf der Bühne mit – für den „Dramaturgen“ eines Konzerts, der mit seinen Breaks Sänger und Gitarristen in die „Schranken weist“, wenn sie von den Fans getrieben davon galoppieren wollen UND der die Achtungs-Zeichen für Anfang und Ende, Laut und Leise, für Ausgelassenheit und Melancholie der Songs im Konzert setzt.
Hinter Toni’s Bandpräsentation bei jedem Auftritt steht aber viel mehr. Sie zeigt die tiefe Sympathie für den Menschen und den uneingeschränkten Respekt für den Musiker und Künstler Klaus Selmke, der 1972 gemeinsam mit Gitarrist Fritz Puppel CITY (ursprünglich: City-Rock-Band) gegründet hatte.
Klaus trommelte immer barfuß zu ebener Erde sitzend
Nicht nur sein aus meiner Sicht weltweit einmaliges Alleinstellungsmerkmal – Klaus trommelte immer barfuß zu ebener Erde sitzend – begründete seinen besonderen Ruf, sondern auch sein diszipliniertes den Arrangements der Songs dienendes cooles Spiel. Gelernt hat er dies im Zusammenspiel mit Jazzern, als er noch im Trio u.a. mit Conny Bauer gemeinsam musizierte.
Nach der Gründung – in all den Jahren bei City – hat Klaus immer zur Band gehalten, auch in schwierigen Zeiten. Bei Fans und Musikerkollegen war er gleichermaßen beliebt, weil er sein EGO immer in den Dienst der Sache stellte und wenn er mal „ausflippte“, dann höchstens gedanklich, um kreativen Ideen Vorschub zu leisten.
Erinnerungen als Labelmanager von AMIGA und SECHZEHNzehn
Ich hatte in zweifacher Hinsicht die Gelegenheit, mit ihm enger zusammen zu arbeiten. Zum einen als Manager der Band rund um ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum – zum Anderen als Labelchef für AMIGA und SECHZEHNzehn, um seine Ideen und sein handwerkliches Können als Grafiker zu nutzen. Dieser Aufgabe widmete sich Klaus mit großer Leidenschaft.
Vor allem bei CITY bestimmte er damit das optische Erscheinungsbild Ende der 90er und den Folgejahren mit seinen Covern, Plakaten, Flyern, Autogrammkarten, Anzeigen usw., aber auch bei unseren Neuveröffentlichungen auf o.g. Labels.
Kraft tanken konnte Klaus am besten im Kreis seiner Familie und beim Joggen. Ich weiß nicht genau, wie viele Marathons er absolviert hat, aber Laufen und dabei seine Gedanken ordnen, war für ihn ein bevorzugter Ausgleich.
Optimismus beim Kampf gegen die Krankheit
Ich hab nie mitgezählt, aber über 50 Konzerte sind es mindestens, die ich im Laufe der Jahre von und mit City erlebt habe…
In den letzten 2 Jahren waren es einige, bei denen Klaus nicht mehr auf der Bühne saß.
Vor 4 Wochen rief mich Toni an, das heutige Facebook-Video mit Klaus nicht zu verpassen !
Mit einem dicken Kloss im Hals starrte ich auf mein Handy und konnte einen Musiker erleben, der mit großem Optimismus seinen Fans und Kollegen nicht nur demonstrierte, dass die Trommelstöcke sein ursprüngliches Handwerkszeug sind, sondern dass auch bald wieder mit ihm auf der Bühne zu rechnen sei …
Abschied und Trauer
Letzten Freitagnachmittag hat sich unser Freund Klaus still „zurückgezogen“, wie es seine Art war.
Herzliche Beileidsgrüße gehen an seine Frau Lu, seine Kinder und an CITY – seine Band.
In tiefer Trauer – neben vielen Fans und Verehrern
Jörg Stempel
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