The world is a mess*, sagt Sonia Seymour Mikich, Chefredakteurin des WDR, und wir, die Journalisten, sind zum „Aufräumen, Sortieren, Einordnen da. Wenn wir richtig gut sind, dann auch noch, um die Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, den gesellschaftlichen Diskurs voranzutreiben.“
Wir alle erleben in diesen Tagen, Wochen, Monaten die Globalisierung der Probleme weltweit, die einer Beschreibung und Erklärung bedürfen, und einer vernetzten, recherchierten, nachhaltigen, kritischen Berichterstattung. Für Sonia Seymor Mikich ist sie im Konjunkturhoch – und das für sehr lange Zeit.
? Wir erleben gerade stürmische Zeiten, in denen kein Tag wie der andere ist und niemand weiß, was uns der nächste an Nachrichten bringt. Trotzdem präsentieren uns die öffentlich-rechtlichen Anstalten zur besten Sendezeit und ohne Quotendruck Florian Silbereisen, Anke Engelke oder „Unser Traum von Kanada“. Ist das der aktuellen Situation angemessen?
! Das ist eine gängige Kritik, die dann im Detail aber nicht ganz so redlich ist. Die Informationsangebote werden fortlaufend erweitert und vertieft: Ukraine-Krise, Griechenland-Krise, Banken-Krisen, Erosionserscheinungen innerhalb der EU, Terrorgefahr vor der Haustür und weltweit, Rechtsruck in verschiedenen Ländern, Flüchtlingspolitik, Krieg in Syrien – was wäre „vergessen“ oder „versteckt“ worden? Gewiss, wir Öffentlich-Rechtlichen haben ebenfalls den Auftrag zu unterhalten, Shows, die Ihnen und mir vielleicht nicht wichtig sind, gefallen anderen. Auch dafür zahlen viele Menschen ihren Rundfunkbeitrag. Mich stört das Entweder-Oder-Denken mancher Kritiker, ich plädiere für ein Und. In der Überzeugung, dass gerade eine fundierte Informationsbeschaffung zu den Überlebensgarantien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört.
Die Kolleginnen und Kollegen sind im letzten Jahr viele Extrameilen gegangen, um politische Entwicklungen darzustellen, einzuordnen und zu bewerten. Dazu gehören Brennpunkte zur besten Sendezeit, zusätzliche Ausgaben der Talkshows, zusätzliche Kurzdokus der Auslandsredaktionen (Weltspiegel extra), lange Livestrecken (zum Beispiel beim Terror in Paris). Schauen wir uns nur mal den Anteil der Auslandsberichterstattung in den Abendnachrichten von ARD und ZDF in den Jahren 2012 bis 2014 an: Der ist von 25 Prozent auf 32 Prozent gestiegen. In unseren dritten Programmen arbeiten wir große gesellschaftspolitische Themen auf – durch Gesprächssendungen wie zum Beispiel die WDR-Arena. Als Journalistin, als ehemalige Auslandskorrespondentin, bin ich jedenfalls zufrieden mit dieser Konjunktur des Relevanten.
The world is a mess*, und wir sind zum Aufräumen, Sortieren, Einordnen da. Wenn wir richtig gut sind, dann auch noch, um die Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, den gesellschaftlichen Diskurs voranzutreiben. Die Globalisierung der Probleme ist unsere Herausforderung, und alles hängt mit allem zusammen. Unser Publikum, on- und offline, fordert von uns Beschreibungen und Erklärungen. Dies ist die Zeit der vernetzten, recherchierten, nachhaltigen, kritischen Berichterstattung. Sie ist im Konjunkturhoch, und ich glaube, das wird sehr lange so bleiben.
? Kritiker der Presse sagen, dass sich Journalisten in Deutschland als Meinungslenker betätigen würden, während sich etwa angelsächsische Journalisten als Nachrichtengeber sehen. Wir hätten gern mehr davon. Sie auch?
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