Neuestes Heft: Jetzt bestellen!

KRIEG UND FRIEDEN
Langer Weg zum Frieden in Vietnam
Foto: Thomas Billhardt
Krieg und Frieden

Langer Weg zum Frieden in Vietnam 

Erlebnisse weniger Tage oder Wochen können Menschen ihr ganzes Leben lang prägen. Solch ein Mensch ist der Fotograf Thomas Billhardt, der vor allem durch seine Fotos aus dem Vietnamkrieg weltbekannt wurde. Geboren wurde er 1937 in Chemnitz, wo seine Mutter eine bekannte Porträtfotografin war. Heute lebt er in Kleinmachnow bei Berlin.

Die Erinnerung an die Bombennächte in Chemnitz im Zweiten Weltkrieg kann Thomas Billhardt heute noch aus dem Gedächtnis abrufen. Das Sirenengeheul genauso wie den Feuerschein über Chemnitz und Dresden, den er aus einem 30 Kilometer von Chemnitz entfernten Ort beobachten musste. Die Mutter hatte ihn dorthin in vage Sicherheit gebracht. Tage später suchten Ausgebombte, die vom Ruß gezeichnet waren, Zuflucht im selben Dorf. „Nie wieder Krieg!“ galt als Konsens nach dem Weltkrieg, der in Europa nahtlos in den Kalten Krieg überging. In Ostasien startete mit dem Koreakrieg fünf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg das Zeitalter der Stellvertreterkriege. Er dauert drei Jahre, forderte mehr als drei Millionen Tote und endete mit der Spaltung der koreanischen Halbinsel. Die Sowjetunion und China stabilisierten die Macht der nordko­reanischen Machtriege.

Stellvertreterkrieg zwischen den Weltmächten

Schon ein Jahr nach Weltkriegsende führte Frankreich Krieg zum Erhalt seiner Kolonialmacht in Indochina. Das französische Vichy-Regime hatte als Verbündeter Hitlerdeutschlands japanische Truppen nach Vietnam ziehen lassen. Der kommunistische Nationalist Ho Chi Minh versammelte Kämpfer um sich herum, um die Unabhängigkeit Vietnams zu erreichen. Aus Tradition der Anti-Hitler-Koalition wurde er dabei aus heutiger Sicht paradoxerweise von den USA unterstützt. Auch dieser Krieg endete in der Spaltung Vietnams im Jahr 1954. Die USA stellten sich später hinter Frankreich, das unter de Gaulle seinen Kolonialstatus wiederherstellen wollte. Frankreich verlor den Indochina-Krieg, und die USA stießen in das Vakuum und wurden Kriegspartei in der Eindämmungsdoktrin, um den Vormarsch des Kommunismus zu stoppen. Nordvietnam unter Führung von Ho Chi Minh wurde zuerst massiv von China, später auch von der Sowjetunion mit Waffen und Ausrüstung versorgt. Der wurde auf dem Rücken des vietnamesischen Volkes ausgetragen.

Kunststudium abgeschlossen und schließlich Industriefotograf

Thomas Billhardt hatte in den Nachkriegsjahren familiär geprägt eine Fotografenlehre absolviert, danach in Magdeburg ein Kunststudium abgeschlossen und schließlich als Industriefotograf gearbeitet. Gleichzeitig erwarb er den Meisterbrief und wechselte in einen Verlag. Der ehrgeizige Fotograf begann an der berühmten Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig ein weiteres Studium, das er 1963 erfolgreich beendete. Fortan arbeitete er als freischaffender Fotograf, vielfach für Organisationen und staatliche Stellen. Er selbst sieht sich als künstlerischen und politischen Fotografen.

Es beginnt eine Karriere, die in ihrer Ambivalenz für viele Künstler und publizistische Berufe in der DDR typisch war. In oberflächlicher historischer Betrachtung bleibt dann oft nur der Stempel „Systemnähe“ übrig. Was aber unterscheidet Thomas Billhardt von vielen reinen Propagandaproduzenten? Trotz ehrlicher Identifikation mit der DDR und als Mitglied der SED lief er nicht im Gleichschritt. Dabei spielte bei ihm auch eine Rolle, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Das DEFA-Dokumentarfilmstudio brachte das sehr individualistisch geprägte Studio Heynowski und Scheumann hervor. Es wurde ein internationaler Erfolg, beispielsweise mit dem TV-Mehrteiler „Der lachende Mann“, welcher die Innenansicht eines westdeutschen Söldners, bekannt unter dem Begriff „Kongo-Müller“, mit Original-Interviews zeichnete. Der Film wurde hoch dekoriert, in 37 Länder exportiert und in der Bundesrepublik verboten.

Fast zeitgleich nahm Thomas Billhardt eine Leitungsfunktion in der staatlichen Deutschen Werbeagentur DEWAG an. Es entstand das Studio Billhardt.

Als Fotograf bekannt durch Reportagen über Kuba

Im Frühjahr 1967 fragten die DDR-Filmdokumentaristen Walter Heynowski und Gerhard Scheumann, ob er als Fotograf an einem Dokumentarfilm über den Vietnamkrieg teilnehmen möchte. Abgeschossene amerikanische Piloten, die in Gefangenschaft geraten waren, sollten interviewt werden. Billhardt sagte sofort zu.

Bekannt war er zuvor bereits durch Reportagen über Kubas Alphabetisierungskampagnen und lange Reisen durch die Sowjetunion. Gerade selbst Vater geworden und von den Kindheitserinnerungen der Bombennächte geprägt, spürte der damals Dreißigjährige den Druck, nun Kriegsfotograf zu werden. Diese Erlebnisse sollten ihn fortan prägen.

Was unterscheidet ihn von den Kriegsfotografen, die meist an der Seite südvietnamesischer oder U.S.-amerikanischer Truppen direkt Zeugen des Kampfgeschehens wurden? Wie Nick Út, der die Bildikone des Mädchens Phan Thi Kim Phuc schuf, das vor der Napalm-Feuerwalze fliehen will, wie Eddie Adams, der die Hinrichtung mittels aufgesetzten Kopfschusses eines Verdächtigen in Saigon auf offener Straße durch den Polizeichef festhielt, oder der deutsche AP-Fotograf Horst Faas, der für seine direkten Fotos im Kampfgeschehen Pulitzer-Preise erhielt.

Luftangriffe mit Napalm, Giftgas, Kugel- und Streubomben

Billhardt hatte in mehrfacher Hinsicht eine andere Perspektive – und seine Fotos auch eine andere Wirkung. Die oben genannten Kriegsfotografen – vornehmlich aus den USA und von westlichen Agenturen – lieferten in die Heimatländer, wo ihre Bilddokumente unzensiert eine große Öffentlichkeit erreichten. Sie lieferten TV-Nachrichten der großen Kabelnetzwerke bei CBS oder NBC in die Familien, deren Söhne und Ehemänner nach Vietnam entsandt worden waren. Die Protestbewegung wurde so stark, dass der Rückhalt für den Krieg zusammenbrach und bei Studentenprotesten beispielweise in Ohio sogar Tote durch Schusswaffeneinsatz zu beklagen waren.

Thomas Billhardt stand nicht neben kämpfenden Soldaten. Eingeflogen über China, das seinerzeit gerade innenpolitische Spannungen mit Hungersnöten und der sogenannten Kulturrevolution durchzustehen hatte, war er stets unter Aufsicht unterwegs und musste die eine oder andere List anwenden, um das Leid der Menschen fotografieren zu können. Seine Art passte nicht in das offizielle Klischee der immer siegenden nordvietnamesischen Helden. Das unermessliche Leid der Bevölkerung, die täglich mit den Luftangriffen mit Napalm, Agent Orange, Giftgas, Kugel- und Streubomben leben musste, bestimmte seine Motive: die Trauer und dennoch vorhandenen Zärtlichkeiten im Alltag zwischen Eltern und Kindern oder Liebespaaren, die Hand in Hand das Gewehr auf dem Rücken tragen. Der Geruch feuchter Erde aus einem frischen Bombentrichter rief seine Kindheitserinnerungen aus dem Weltkrieg wach. Das mag der Grund sein, dass immer wieder Kinder im nordvietnamesischen Alltag in seinem Fokus standen.

Lesen Sie den gesamten Artikel im aktuellen Heft.

Vorheriges

Langer Weg zum Frieden in Vietnam

Ähnliche Beiträge